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Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Titel: Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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und verbrannt sein, so daß nur der tote Bluthüter liegenblieb. Der Kontakt mit dieser Stelle verursachte Troy Ekel, und er wich hastig zurück. Er schwitzte stark. Schweiß juckte in seinen Brauen. Die Nacht war warm; anscheinend hatte der Sonnenuntergang keinerlei Linderung über die Ruinen gebracht. Die Arme auf seinem Bauch überkreuzt, richtete er sich auf. Als er wieder unsicher inmitten der freien Fläche stand, versuchte er, jeden Gedanken an Ruel und den Vogel aus seinem Bewußtsein zu verdrängen. Er hatte sich jetzt darauf zu besinnen, wie man mit Blindheit zurechtkam; es galt, sich in den Ruinen zu orientieren. Doch es gelang ihm nicht, eindeutig festzustellen, von wo aus er diesen offenen Raum betreten hatte. Indem er vor sich mit den Armen fuchtelte, machte er sich auf die Suche nach einer Mauer.
    Seine Füße mißtrauten dem Untergrund – er brachte es nicht fertig, sie sicher aufzusetzen –, und er bewegte sich mit schwerfälliger Unbeholfenheit. Sein Gleichgewichtssinn war dahin. Sein Gesicht war wie wund, und in seinen leeren Augenhöhlen brannte Schweiß. Aber er konzentrierte sich mit gewaltigen inneren Anstrengungen und maß die Distanz, die er zurücklegte. Nach zwanzig Metern gelangte er zu guter Letzt an eine Wand. Er stieß schräg dagegen, drehte jedoch prompt ihrem Verlauf seine Seite zu und stapfte an der Mauer entlang. Er brauchte eine Lücke, die es ihm erlaubte, beide Seiten der Mauer gleichzeitig zu berühren. Jeder Temperaturunterschied zwischen ihren beiden Seiten war dazu geeignet, ihm die Richtung zu weisen. Nach nochmals zwanzig Meter kam er in eine Ecke. Er wandte sich nach rechts und folgte dem Verlauf dieser zweiten Wand. Er hielt sich parallel zu ihr, indem er mit seinen Fingern daran entlangstreifte. Kurz darauf stolperte er in einen Haufen Trümmer und fand einen Durchlaß. Die Mauer war dick, aber er konnte sie beiderseits anfassen, ohne sich die Arme auszukugeln. Beide Seiten fühlten sich ziemlich warm an, aber er meinte, an der inwärtigen Wand eine leicht höhere Temperatur festzustellen. Das war die westliche Richtung, folgerte er daraus; die Nachmittagssonne mußte die Westseite einer Mauer erhitzen. Nun hatte er zu entscheiden, welche Richtung er einschlug. Ostwärts war die Wahrscheinlichkeit, Feinden zu begegnen, am geringsten. Da man ihn noch nicht gefunden hatte, waren sie vielleicht schon vorbei; sicherlich durchkämmten sie die Ruinenstadt von Osten nach Westen, in die Richtung, wohin das Kriegsheer sich abgesetzt hatte. Aber falls noch eine Chance auf Hilfe durch seine Freunde oder Mehryl bestand, dann bestimmt an der Westseite der Stadt. Anscheinend gab es für dies Dilemma keine Lösung.
    Er schüttelte den Kopf und stöhnte mit zusammengepreßten Zähnen. Aber sofort stopfte er sich den Mund mit Schweigen. Er beschloß, nach Westen zu gehen, wo Mehryl sein mußte. Das höhere Risiko war einer ungefährlicheren Flucht ostwärts vorzuziehen – einer Flucht, an deren Ende er allein in den Südlichen Einöden festsitzen müßte, ohne Wasser, Nahrung oder Reittier. Einige Augenblicke lang lehnte er sich an die unnatürlich warme Wand und atmete tief durch, um sich zu fassen. Dann straffte er sich, richtete alle Konzentration, die er zustande bringen konnte, auf seinen Orientierungssinn und verließ geradewegs die Trümmer des uralten Bauwerks. Er kam nur langsam voran. Die Unsicherheit seiner Schritte ließ ihn mehrfach von der direkten westlichen Himmelsrichtung abirren. Doch er korrigierte die Abweichungen nach bestem Vermögen und strebte weiter. Ohne den Halt einer auf Armlänge befindlichen Mauer verschlechterte sein Gleichgewichtssinn sich mit jedem Schritt. Ehe er dreißig Meter zurückgelegt hatte, schien sich alles um ihn zu drehen, und er fiel auf die Knie. Er mußte sich die Kehle zudrücken, um ein Wimmern zu unterbinden. Als er wieder auf den Füßen stand, hörte er gelassenes Lachen – zuerst nur von einer Stimme, dann von mehreren. Es klang grausam, als gelte es ihm. Es hallte schwach von den Mauern wider, so daß er nicht feststellen konnte, woher es kam, doch anscheinend ertönte es irgendwo vor ihm. Er verharrte auf der Stelle. Hilflos gab er sich der Hoffnung hin, die Dunkelheit werde ihn verbergen. Aber eine Stimme zerstörte diese Hoffnung. »Seht da, Brüder«, sagte sie. »Ein Mensch ... allein.« Ihre Sprechweise war schwerfällig, breiig aus Geseiber, aber Troy verstand die Worte. Er hörte die Bosheit im gedämpften mehrfachen

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