Der siebte Kristall
wucherten. Einige Freven trugen lange Stangen vor sich her, die an den Vorderenden mit Moos und Grashalmen umwickelt waren wie Fackeln.
Und Fackelträger erwarteten die Todgeweihten vor dem viereckigen Bodenloch. Es war in den Morast gegraben und mehr als zwei Mannslängen tief. An geflochtenen Seilen wurde ein Gitter in die Höhe gezogen, das wie ein Deckel auf der Grube lag. Es war wie ein sich auftuender Rachen eines seltsamen Ungeheuers. An der Unterseite saßen lange Dornen.
»Nein!« schrie Kjobo. Er versuchte zu fliehen. Noch bevor er zehn Schritte weit gekommen war, flogen zwei Schlingen durch die Luft und legten sich um seinen Hals. Kjobo wurde zurückgeschleift und als erster in die Grube gestoßen.
Als Gerrek ihm folgen sollte, fuhr er herum und herrschte die Freven an:
»Nehmt eure schmutzigen Hände weg! Das kann ich allein!«
Er machte einen Satz in die Tiefe. Die Krieger folgten, dann Tertish und Sadagar. Nur Mythor zögerte. Tobar stand bei ihm und verbarg seine grenzenlose Enttäuschung nicht.
Von Huij war nichts mehr zu sehen. Blasrohre richteten sich auf den Sohn des Kometen.
»Es soll euch noch leid tun!« knurrte er. »Was werdet ihr eurem Dämon sagen, wenn Tohij es ist, der den falschen Stein bringt?«
Ein Stoß war die Antwort. Mythor ließ sich in die Grube fallen. Tobar kam neben ihm auf und beeilte sich, von ihm fortzukommen. In der gegenüberliegenden Ecke hockend, sagte er bitter:
»Daß du dich gar nicht wehrst, Mythor, das hätte ich niemals von dir gedacht!«
Niemand gab ihm eine Antwort, bis die Freven das Gitter wieder heruntergelassen hatten. Die Dornen waren wie hundert spitze Zähne, die sich den Gefangenen drohend entgegenstreckten. Rings um die Grube stellten sich Freven mit ihren grün leuchtenden Fackeln auf.
»Du weißt nicht, welchen Unsinn du redest, Junge«, sagte Berbus zu Tobar. »Habe ich jemals den Kampf gescheut? Ich weiß nicht, wie lange ich die Schmerzen im Arm noch ertrage und wann ich das Schwert nehme, um ihn mir abzuschlagen.«
Bis zum Ellbogen hinauf war sein Fleisch zu einem unförmigen Klumpen angeschwollen und blau.
»Du brauchst unbedingt eine Medizin«, flüsterte Mythor. »Wer ein solches Gift besitzt, der hat auch die Salben und Kräuter, um ihm die Wirkung zu nehmen. Bald wird die Aufmerksamkeit der Freven nachlassen. Dann sollte es eine Leichtigkeit sein, hier auszubrechen und sie uns zu holen.«
»Genau«, nickte Gerrek. »Ich brauche mich nur auf einen von euch zu stellen und an das Gitter zu springen, und…«
»Die Dornen«, kam es wimmernd von Kjobo, »sind mit dem gleichen Gift bestrichen wie unsere Pfeile.«
Gerrek gab ihm durch zwei Schläge mit der flachen Hand zu verstehen, daß er zu schweigen habe.
»Dann setze ich es mit meinem Atem in Brand!«
Kjobo brachte sich vorsichtshalber aus seiner Reichweite, bevor er krächzte:
»Dann erreichst du nur, daß das Gift auf uns herabtropft. Wir sind alle verloren. Verflucht sei der Tag, an dem wir euch fanden.«
*
Berbus’ Zustand verschlechterte sich immer mehr. Der ganze Arm hing ihm wie ein Stück wuchernde Masse von der ebenfalls schon anschwellenden Schulter herab. Dann griff die Verwirrung nach seinem Geist. Als er zu rasen begann und versuchte, sich den Arm mit der Streitaxt abzuschlagen, waren die Kräfte seiner Krieger nötig, um ihn zu bändigen. Er schrie, schlug und trat aus, bis schließlich Mythor keine andere Möglichkeit mehr sah, als ihn mit einem gezielten Faustschlag niederzustrecken.
Tobar war längst wieder versöhnt und drückte sich an die Seite des Gorganers wie ein verängstigtes Kind, das bei seinem Vater Schutz suchte. Nun, da er das Elend des Wälsen miterleben mußte, pries er Mythors Verhalten als die Weisheit des erfahrenen Kriegers, der wußte, wann es geboten war, eine Niederlage einzusehen.
»Dummes Zeug!« schimpfte Tertish. »Sie haben uns hereingelegt wie einen Haufen von Dummköpfen. Nie hätten wir Huij vertrauen dürfen!«
» Ich vertraue ihm«, sagte Mythor finster.
»So? Wo bleibt er dann, unser Retter? Ich sage es euch! Er ist heilfroh, seine eigene Haut retten zu können! Er ist nicht besser als der da!«
Verächtlich wies sie auf Kjobo. Als Gerrek ihr daraufhin Beifall zollte, knurrte sie nur: »Halt’s Maul, dummer Beuteldrache! Du bist an allem schuld! Hättest du nur früh genug dein Feuer gespien!«
»Mythor!« beschwerte sich der Mandaler. »Muß ich mir das sagen lassen? Gehört das zur Amazonenerziehung auf Anakrom, daß
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