Der siebte Kristall
befanden sich nur noch Gerrek, Huuk und Tertish in der Grube, nachdem Kjobo mit solcher Schnelligkeit über die Kette aus Leibern in die Höhe geklettert war, als sei er kein Freve, sondern ein etwas zu klein geratener Sumpfläufer.
»Nimm den Kristall, Huuk, aber sei vorsichtig! Du mußt Gerrek damit hinter dir her locken!«
Tertish benötigte einen Stoß in die Rippen, um aus ihrer Verzückung zu erwachen. Huuk tat, wie ihm geheißen. Für einen Augenblick hielt Mythor den Atem an. Dann jedoch erhob sich auch der Mandaler und folgte dem Kristall, den Huuk ihm vor die Nase hielt.
Als der Beuteldrache als letzter an der Kette hing und hochgezogen wurde, ohne dabei sein Spiel zu unterbrechen, waren die Freven am Rand der Grube längst entwaffnet. Sadagar hatte den Arm voller Blasrohre.
»Und jetzt zum Dorf zurück«, flüsterte Mythor, als könnte jedes laut gesprochene Wort den Zauber brechen. Er nahm Huuk den Kristall ab und legte ihn vorsichtig in Gerreks ausgestreckte Finger zurück. Und so marschierte der Mandaler dem seltsamen Zug voran, der sich formierte und in Richtung Pfahlsiedlung in Bewegung setzte. Die Freven folgten den Carlumern in einer langen Reihe.
»Wenn er nur nicht aufwacht«, raunte Mythor der Amazone der Zaem zu. »Hörst du nicht? Tertish!«
»Dies muß die Musik sein, die die Götter lieben«, sagte die Todgeweihte, ohne ihn dabei anzusehen.
*
Mit Gerrek an der Spitze marschierte die Prozession in das Dorf ein. Freven, die mit Blasrohren auf den Plattformen erschienen, ließen die Waffen sinken und schlossen sich an. Kjobo ging mit festem Schritt neben Mythor und beantwortete bereitwillig jede Frage – auch die nach der Hütte des Schamanen.
Huij lag in Fesseln aus geflochtenem Gras im einzigen Raum seiner mit vielerlei Fetischen geschmückten Behausung. Die fünf Zwerge, die ihn bewachten, hatten längst die Blasrohre weggelegt und schlossen sich der unüberschaubar werdenden Schar von Gerreks Bewunderern an. Mythor zögerte nicht lange. Er befahl den Wälsen, sämtliche Blasrohre einzusammeln und zu Bündeln zusammenzubinden. Sadagar schnitt die Fesseln auf. Huij wirkte benommen. Für einen Moment schien es so, als wollte auch er sich im Zauber der Himmelsklänge laben. Mythor packte ihn an den Schultern und rüttelte ihn, bis sein Blick sich klärte.
»Komm zu dir, Huij! Wir sind frei, und du wirst uns führen müssen! Hast du einen Zauber, der dich vor dem Flötenspiel schützt?«
Der Schamane brauchte trotz weiteren Rüttelns einige Zeit, um in die Wirklichkeit zurückzukehren. Als er begriff, was geschehen war, nickte er heftig, nahm ein Gefäß von der Wand und trank daraus.
»Über eine solche Macht verfügt ihr«, staunte er. »Warum habt ihr nicht früher davon Gebrauch gemacht, als Tohij…«
»Da wußten wir selbst noch nichts davon! Wir müssen schnell handeln, Huij. Wir…«
»Oh, ich bin schuld an eurem Elend«, begann der Schamane zu klagen. »Ich versprach euch, euch zu retten. Doch wie konnte ich wissen, daß Tohij einen Schamanen aus einer anderen Siedlung in seine Dienste gezwungen hatte und mit ihm den Vuhjoon anrief, unseren Stamm zu verhexen! Sie warteten heimtückisch, bis ihr fortgeführt wart, und dann…«
»Wir sind ja frei, Huij! Jetzt brauchen wir deine Hilfe nötiger als je zuvor! Du mußt uns den Weg zum Vuhjoon zeigen, doch vorher ein Gegenmittel gegen das Gift eurer Pfeile geben!« Mythor deutete auf Berbus, den Huuk und Lonsa stützten. »Er wird sonst sterben!«
Huij schrak heftig zusammen, als er den Wälsen erblickte.
»Es ist ein großes Wunder, daß er überhaupt noch lebt«, sagte er entsetzt. »Ein Freve wäre längst daran gestorben!«
»Kannst du ihn heilen oder nicht!«
»Ja… ja! Aber die Salbe muß erst zubereitet werden. So schnell geht das nicht. Ich…«
»Was brauchst du dazu?«
Huij holte eine tönerne Schale, einen Knochen zum Zerstampfen und Rühren, schließlich allerlei Kräuter und tote Tiere aus einem Wandfach.
»Du nimmst es mit und stellst die Salbe her, während wir unterwegs sind«, entschied Mythor. »Wir können nicht warten. Gerrek mag noch stundenlang von der Muse erfüllt sein, doch lange vorher geht ihm die Puste aus.«
Der Schamane verabreichte auch Kjobo etwas von dem Trank, der ihn für Gerreks Flötenspiel unempfänglich machte. Anfangs hatte seine Angst dies besorgt. Nun stand er mit leuchtenden Augen vor dem Mandaler. Als der Trank wirkte, packte Mythor den Freven am zottigen Haarschopf.
»Auch
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