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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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wissen, Majestät: Es ist ein Segen für die Welt, daß Ihr Pontifex seid und nicht ich. Mir gebricht es an Eurer gütigen und barmherzigen Natur - besonders, muß ich gestehen, wenn es um die elenden Gestaltwandler geht. Ich weiß, Ihr liebt sie und würdet sie aus ihrer Unterwerfung befreien. Aber für mich, Valentine, sind sie Ungeziefer und nichts als Ungeziefer. Und gefährliches Ungeziefer obendrein.«
    »Psst«, sagte Valentine. Er lächelte immer noch, ließ aber auch ein wenig Ärger erkennen. »Der Aufstand ist lange vorbei. Es wird höchste Zeit, daß wir den alten Haß für immer begraben.«
    Nascimontes einzige Antwort war ein Schulterzucken.
    Valentine wandte sich ab und sah wieder zu den Ruinen. Größere Geheimnisse als das Trugbild erwarteten sie da unten. Ein Ereignis, das so grausam und schrecklich war wie alle Untaten aus Velalisiers unrühmlicher Vergangenheit, hatte jüngst in dieser Stadt toter Steine stattgefunden. Nichts Geringeres als ein Mord.
    Gewaltsamer Tod durch die Hand eines anderen war auf Majipoor nicht weit verbreitet. Um diesen Mord zu untersuchen, waren Valentine und seine Freunde an diesem Tag zum alten Velalisier geritten.
    »Kommt«, sagte er. »Machen wir uns auf den Weg.« Er gab seinem Reittier die Sporen, und die anderen folgten ihm die gepflasterte Straße hinunter in die heimgesuchte Stadt.
     
    Aus der Nähe wirkten die Ruinen längst nicht so düster wie bei den beiden vorherigen Besuchen Valentines. Die Regenfälle des Winters mußten heftiger als sonst ausgefallen sein, denn überall blühten Wildblumen in der dunklen, schmutzigen Einöde aschefarbener Dünen und verfallener Gebäudezeilen. Sie überzogen die graue Düsternis mit leuchtenden gelben und roten und blauen und weißen Tupfen, deren eindringliche Wirkung beinahe musikalisch war. Eine Schar zierlicher Kelebekkos mit hellen Flügeln flatterten zwischen den Blüten dahin und tranken Nektar, und winzige, stechmückenähnliche Ferushas flogen in dichten Schwärmen umher und bildeten ausgedehnte nebelartige Flecken in der Luft, die wie silberner Staub schimmerten.
    Aber hier spielte sich mehr ab als das Aufgehen der Blüten und das Tanzen der Insekten. Als Valentine seinen Abstieg in Richtung Velalisier begann, wimmelte es in seiner Einbildung plötzlich von seltsamen Dingen, Phantasien und Wundern. Es kam ihm vor, als würde ein unerklärliches Aufflackern von Zauberei und Magischem außerhalb seines Sehbereichs stattfinden. Feen und Erscheinungen sangen wortlos von Majipoors unendlicher Vergangenheit, schwebten von den zerbrochenen Steinplatten mit ihren bröckelnden Kanten zu ihm empor, tanzten lockend um ihn herum und hüpften, von unbändiger Energie erfüllt, über die poröse, kalkreiche Erde der Ausgrabungsstätte. Der feine Schimmer eines zarten jadegrünen Schillerns, der aus der Entfernung nicht sichtbar gewesen war, schwebte über allem und tönte die Atmosphäre: eine Nebenwirkung des heißen Nachmittagslichts, das auf leuchtstarke Mineralien in den Felsen fiel, dachte er. Dennoch war es ein wundersamer Anblick, welche Ursache es auch immer haben mochte.
    Diese unerwarteten Anflüge von Schönheit hoben die Stimmung des Pontifex, die untypisch düster gewesen war, seit ihn vor einer Woche die Nachricht vom brutalen und rätselhaften Tod des angesehenen Metamorphenarchäologen Huukaminaan in eben diesen Ruinen erreicht hatte. Valentine hatte so große Hoffnungen in die Arbeit gesetzt, die hier getan wurde, die Ausgrabung der alten Hauptstadt der Gestaltwandler; und dieser Mord hatte alles verdorben.
    Nun kamen die Zelte der Archäologen in Sicht, luftige Zelte, aus breiten grünen, kastanienfarbenen und scharlachroten Stoffbahnen gewoben, die sich in der Ferne über einem leicht erhöhten Sandplateau bauschten. Einige der Archäologen selbst, sah er nun, kamen ihnen auf plumpen Reittieren auf den langen, von Steinen übersäten Prachtstraßen entgegengeritten: etwa ein halbes Dutzend, und Magadone Sambisa, die Chefarchäologin, führte die Gruppe an.
    »Majestät«, sagte sie, stieg ab und machte die umständliche Geste des Respekts, die vor einem Pontifex üblich war. »Willkommen in Velalisier.«
    Valentine erkannte sie kaum wieder. Es war erst ungefähr ein Jahr her, seit Magadone Sambisa in seinen Gemächern im Labyrinth vor ihn getreten war. Er erinnerte sich an eine dynamische, selbstbewußte, zuversichtliche Frau mit leuchtenden Augen, gedrungen und drall, mit runden, vor Lebenskraft und

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