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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Ausgrabungsstätte, hätten sie mühelos ein ausgedehntes Feld im Sand versunkener Ruinen sehen müssen. Hier hatte einst eine mächtige Stadt gestanden, die berüchtigte Stadt der Gestaltwandler, wo in alten Zeiten so viele finstere historische Ereignisse stattgefunden hatten, monströse Sakrilege und Blasphemie. Aber - es war gewiß eine Illusion - die weitläufige Zone der eingestürzten Gebäude im Zentrum der Ebene wurde nun vollständig von einer wundersam gekräuselten Wasseroberfläche bedeckt, blaßrosa an den Rändern und perlgrau in der Mitte: ein großer See, wo niemals zuvor ein See gewesen war.
    Offenbar sahen die anderen Mitglieder der königlichen Reisegesellschaft es auch. Aber begriffen sie, daß es nur eine optische Täuschung war? Eine flüchtige Kombination von Sonnenlicht und dunstigem Staub und der drückenden Mittagshitze mußte ein vorübergehendes Trugbild über dem toten Velalisier erzeugt haben, so daß es aussah, als wäre ausgerechnet eine Lagune beträchtlicher Größe inmitten dieser lebensfeindlichen Wüste entstanden, um die tote Stadt zu überschwemmen.
    Sie begann kurz hinter ihrem Aussichtspunkt und erstreckte sich bis zur fernen grau-blauen Mauer aus großen Steinmonolithen, die die Westgrenze der Stadt darstellte. Von Velalisier war nichts zu sehen. Weder die verfallenen Tempel und Paläste und Basiliken, noch die roten Basaltquader der Arena, die ausgedehnten Flächen aus blauem Stein, die Opferplattformen gewesen waren, oder die Zelte der Archäologen, die seit letztem Jahr auf Betreiben Valentines hier tätig waren. Nur die sechs steilen und schmalen Pyramiden, die höchsten erhaltenen Gebäude der prähistorischen Hauptstadt der Metamorphen, waren zu sehen - jedenfalls ihre Spitzen, die aus dem grauen Herzen des vorgeblichen Sees herausragten wie eine Reihe von Dolchen, die mit den Spitzen nach oben in seinen Tiefen festgesteckt worden waren.
    »Magie«, murmelte Tunigorn, der älteste von Valentines Jugendfreunden, der am pontifikalen Hof den Posten eines Ministers für Auswärtige Angelegenheiten bekleidete. Er zeichnete ein heiliges Symbol in die Luft. Mit zunehmendem Alter war Tunigorn sehr abergläubisch geworden.
    »Glaube ich nicht«, sagte Valentine lächelnd. »Ich würde sagen, nur eine sonderbare Erscheinung des Lichts.«
    In diesem Augenblick kam ein kräftiger Wind von Norden auf, als hätte ihn der Pontifex mit einem Gegenzauber herbeigerufen, und schälte den Dunst rasch hinweg. Mit ihm verschwand der See - verzog sich wie ein Phantom. Valentine und seine Gefährten befanden sich nun unter einem klaren und gnadenlosen stahlblauen Himmel und sahen auf das wahre Velalisier hinab - das gewaltige Feld der Steintrümmer, das kahle und zusammenhanglose Durcheinander brauner Bruchstücke und öder, schäbiger Scherben, die in knirschenden Betten von Sandverwehungen lagen und alles waren, was von der verlassenen Metamorphenmetropole von einst übriggeblieben war.
    »Nun denn«, sagte Tunigorn, »vielleicht habt Ihr Recht gehabt, Majestät. Aber Magie hin oder her, vorher hat es mir besser gefallen. Es war ein hübscher See, und dies sind häßliche Steine.«
    »Hier ist nichts, was einem gefallen könnte«, sagte Herzog Nascimonte von Ebersinul. Er hatte den weiten Weg von seinem großen Anwesen auf der anderen Seite des Labyrinths zurückgelegt, um an dieser Expedition teilnehmen zu können. »Dies ist ein trauriger Ort und ist es immer gewesen. Wäre ich an Eurer Stelle Pontifex, Euer Majestät, würde ich einen Damm über den Fluß Glayge bauen und eine tosende Sturzflut hierherschicken, welche diese verfluchte Stadt und ihre gesamte abscheuliche Geschichte für alle Zeiten unter zwei Meilen Wasser begräbt.«
    Zum Teil konnte Valentine das Verdienstvolle an diesem Vorschlag erkennen. Es war leicht denkbar, daß die feierlichen Zaubersprüche der Vergangenheit noch hier verharrten, daß dies ein Gebiet war, wo verhängnisvolle Magie regierte.
    Aber natürlich konnte Valentine Nascimontes Vorschlag kaum ernst nehmen. »Die heilige Stadt der Metamorphen überfluten, ja! Unbedingt, das machen wir«, sagte er leichthin. »Sehr diplomatisch, Nascimonte. Was für eine glänzende Methode, die Harmonie zwischen den Rassen zu fördern!«
    Nascimonte, ein hagerer und unerschrockener Mann von achtzig Jahren mit stechenden saphirblauen Augen, die wie feurige Edelsteine in der breiten, gerunzelten Stirn funkelten, sagte liebenswürdig: »Eure Worte verraten uns, was wir bereits

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