Der siebte Turm 01 - Sturz in die Dunkelheit
würde. Um ihn waren allerlei seltsame Geräusche zu hören. Wahrscheinlich waren es Worte, doch Tal verstand kein einziges davon. Sie veränderten ihren Klang und entglitten ihm. Ein paar der Worte, von denen sein Gehirn die Bedeutungen kannte, wie „hoch“, „schwer“ und „jetzt nimmst du ihn“ wurden zu „plohf“, „schmehl“ und „heff wimm nu mih.“
Nichts schien mehr einen Sinn zu haben. Alles war so schwer zu verstehen. Tal fiel wieder in tiefe Bewusstlosigkeit.
Als er zum zweiten Mal zu sich kam, erinnerte er einen Augenblick sein erstes Erwachen. Doch diese Erinnerung wurde sofort von schier unerträglichen Kopfschmerzen verdrängt, die ihn mitten zwischen die Augen zu treffen schienen.
Er stöhnte, setzte sich auf und legte die Hände an den Kopf. Dann erinnerte er sich daran, dass er an eine Leiter im Heiztunnel gebunden gewesen war.
Er nahm seine Hände von den Augen und sah sich um.
Er hing an keiner Leiter. Er lag auf dem Boden eines Korridors, der von einem kleinen Sonnenstein an der Decke beleuchtet wurde. Vielleicht zehn Spannen weiter gab es noch einen Sonnenstein, und noch zehn Spannen weiter wieder einen. Es waren normale, weiße Sonnensteine mit wenig Kraft.
Irgendwo her kam ein Geräusch. Tal drehte sich um und bereute es sofort, als seine Kopfschmerzen schlagartig heftiger wurden.
Das Geräusch kam von Milla. Sie saß im Schneidersitz hinter ihm und atmete – offensichtlich mit großer Beherrschung – gleichmäßig ein und aus. Ihre Maske hatte sie abgenommen und ihr Gesicht hatte eine hässliche, grüne Farbe.
Tal presste seine Daumen an die Schläfen. „Was ist passiert?“
Milla atmete sehr, sehr langsam aus.
„Schlechte Luft. Irgendjemand hat uns gefunden und uns hierher getragen. Sie haben etwas von umbringen gesagt, haben es aber nicht getan. Wir haben Glück gehabt, dass sich dein Schatten beherrschen konnte. Ich glaube, sie hätten dich sonst sofort getötet.“
„Oh“, sagte Tal. Eine vage Erinnerung kam zurück.
„Ich dachte, das war ein Traum. Warst du die ganze Zeit wach?“
Milla schien peinlich berührt zu sein. Sie begann einzuatmen, so als wollte sie die Frage ignorieren. Dann ließ sie die Luft plötzlich entweichen und sagte: „Ich hatte nur Kraft genug, um etwas zu hören. Ich konnte mich nicht bewegen. Du solltest übrigens tief und langsam atmen. Das reinigt die schlechte Luft in deinem Blut.“
Tal nickte, änderte aber seine Atemweise nicht. Diese Leute mussten Abtrünnige des Untervolks sein. Und sie hatten sich über seinen Sonnenstein unterhalten!
Seine Hand flog an seinen Hals. Die Kette mit dem alten und neuen Sonnenstein war verschwunden! Er durchlebte einen Augenblick der Panik, bevor sein Schattenwächter an seinem Ärmel zupfte und ihn daran erinnerte, dass die Kette in der Geheimtasche war. Er zog sie heraus und hängte sie sich mit einem erleichterten Seufzer um den Hals.
„Dreizehn Schlafzeiten und er gehört mir“, sagte Milla mit einem Blick auf seinen Sonnenstein. „Wir hatten erst eine Schlafzeit.“
Tal sah sie grimmig an. Dann stand er langsam auf und ging ein paar Schritte in den Korridor hinein. Bei jedem Schritt hämmerten die Schmerzen in seinem Kopf.
„Sind wir jetzt im Schloss?“, fragte Milla. Sie zeigte auf die Decke. „Hier gibt es so viele Sonnensteine. Vielleicht sollte ich einen herausbrechen.“
„Sie sind viel zu klein“, sagte Tal erschöpft. „Sie halten nur ein paar Monate und müssen dann schon ausgetauscht werden. Außerdem kann man nichts weiter mit ihnen anfangen. Sie geben nur Licht.“
Milla zuckte mit den Schultern. „Licht ist in der Dunkelheit viel wert.“
Tal seufzte. Am wenigen Licht und den hellen Wänden konnte er erkennen, dass sie sich auf einer Ebene des Untervolks befinden mussten. Es gab eine Menge dieser Ebenen, in denen die Diener lebten, arbeiteten und Landbau betrieben. Doch für Tal gehörten diese Bereiche nicht wirklich zum Schloss.
Erst wenn sie diese Ebenen verließen, wären sie im eigentlichen Schloss. Die Erkenntnis, dass er nun tatsächlich wieder zuhause war, traf Tal schlagartig. Er hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, was er nun tun würde. Was konnte er tun?
Er konnte nicht einfach nach Hause gehen, denn dann würden ihn seine Feinde finden. Und in seinem Aufzug konnte er sich auch nicht unter die Erwählten wagen. Er würde eine Panik auslösen.
Das war typisch für ihn. Er hatte sich absolut keine Gedanken darüber gemacht, welche
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