Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der siebte Turm 01 - Sturz in die Dunkelheit

Titel: Der siebte Turm 01 - Sturz in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
Vom Netzwerk:
Konsequenzen es haben konnte, Milla mit ins Schloss zu nehmen. Er wusste, dass sie ein Eiscarl war und was das bedeutete. Doch außer ihm wusste das niemand. Alle anderen waren doch davon überzeugt, dass außerhalb des Schlosses niemand lebte. Niemand würde außerhalb des Schlosses leben können. Sie würden annehmen, dass sie irgendeine Kreatur war, die aus Aenir hierher gekommen war, ohne dabei zum Schatten zu werden. Ein freier Geist. Ein unkontrollierter Geist.
    Das wäre das Schrecklichste, was sich ein Erwählter überhaupt vorstellen konnte. Sie alle würden bei Millas Anblick die weißen, heißen Stahlen der Zerstörung aussenden. Tal hätte dasselbe getan, wenn er Milla im Schloss begegnet wäre. Dessen war er sich sicher. Wenn sie weder eine Erwählte noch ein Mitglied des Untervolks war, konnte sie nur ein Monster sein. Weshalb sollten die Erwählten anders denken als Tal es getan hätte?
    „Sind wir jetzt in deinem Schloss?“, fragte Milla erneut. Sie sah sich die kahlen, glatten Wände an. Hier gab es keine Trophäen, keine gehörnten Merwin-Schädel oder Selski-Flossenknochen, keine feindlichen Waffen.
    „Es ist nicht gerade beeindruckend. Eure Wachen hätten uns eigentlich schon finden müssen. Nicht diese Ausgestoßenen.“
    „Diese was?“, fragte Tal. Er hatte nicht zugehört. Er war zu sehr mit seiner Angst beschäftigt. War es ein großer Fehler gewesen, Milla mit ins Schloss zu bringen?
    „Ausgestoßene“, wiederholte sie. „Das sind die Leute, die uns hierher gebracht haben, oder nicht? Leute, die keinem Clan angehören, die dem Schiff folgen und von Abfällen und Resten leben?“
    Tal starrte Milla an. Er hatte sie noch nie so redselig erlebt. Vielleicht hatte es etwas mit der schlechten Luft zu tun. Oder vielleicht war sie nur erleichtert, dass sie die sengende Hitze in den Tunnels überlebt hatte.
    „Ich weiß nicht, wer sie waren“, gab er zurück. „Untervölkler. Diener. Aber ich glaube, sie sind geflohen. Sie müssen irgendwo dort unten leben.“
    „Diener, die nicht gehen dürfen, wenn sie es wollen?“, fragte Milla. Sie stand auf und streckte ihre Arme. „Du meinst einen Thrall. Viele Clans haben welche, auch wenn es die Cronen nicht gern sehen. Die Far-Raider machen jedenfalls keine Geschäfte mit Thrall-Treibern.“
    „Was ist ein Thrall?“, fragte Tal. Er hatte das Wort noch nie gehört.
    „Diener, die nicht gehen dürfen“, sagte Milla. Sie sah, dass Tal noch immer nichts begriff und fügte hinzu: „Leute, die man kaufen und verkaufen kann.“
    „Oh“, sagte Tal. „Naja, die Untervölkler sind anders. Die meisten werden als Diener geboren… oder sie wurden aus gutem Grund später zu Untervölklern. Und sie werden nicht gekauft oder verkauft. Nur zugewiesen.“
    „Ein Thrall bleibt ein Thrall und verpestet das Schiff,“ sagte Milla. „Egal wie man ihn nennt.“
    Sie betonte das mit einem Schulterzucken und schlug ein Rad im Korridor, um ihre Muskeln aufzulockern. Tal streckte sich stöhnend, wobei ihm der Kopf noch mehr schmerzte. Aus dem Augenwinkel sah er, dass sein Schattenwächter seine Bewegungen imitierte. Als Milla es bemerkte, glitt er wieder zurück und wurde zum normalen Schatten.
    Tal sah ihm dabei zu. Im selben Moment wurde ihm klar, dass er viel weniger glücklich war, als er es eigentlich sein musste. Er hätte eigentlich den Boden küssen und vor Freude lachen müssen. Immerhin hatte er einen Sturz aus tausenden Spannen Höhe, vom Roten Turm, überlebt. Er hatte eine Begegnung mit den Eiscarls überlebt. Er hatte das Lebende Meer überquert. Er hatte geholfen, ein Merwin zu töten. Er hatte das Ruinenschiff gesehen, den Berg des Lichtes erstiegen und den Weg durch die Heiztunnels geschafft.
    Doch er war nicht froh. Er fühlte sich müde, als wäre all das erst der Beginn. Er hatte immer angenommen, dass er nach seiner Rückkehr geradewegs in das Quartier seiner Familie gehen und seine Mutter besuchen würde. Doch das war jetzt unmöglich.
    Und das Schlimmste war: Er wusste nicht einmal, was er stattdessen tun konnte.
    Milla kam zurückgeturnt und erinnerte ihn daran, dass er mit ihr das eigentliche Problem mitgebracht hatte.
    „Was machen wir nun?“, fragte Milla. „Treffen wir die Crone deines Clans?“
    „Ähm…“, begann Tal, als ihm plötzlich eine Idee kam. „Nicht ganz. Aber beinahe.“

 
KAPITEL ZEHN
     
     
     
    „Wir werden zu einem weisen Mann gehen“, erklärte Tal, als sie vorsichtig den langen Korridor entlang

Weitere Kostenlose Bücher