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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Affairen und Affairchen, die plumpe Anmacherei. Zum Ausgleich gab es den Sport. Ich hatte mit Marek gemeinsam oft Surfkurse gegeben, mir mit Grace die Strandaerobic geteilt und Fahrrad-Touren organisiert. Schätzungsweise war es jetzt von Vorteil, dass ich so durchtrainiert und gesund war. Es mochte bei der Heilung helfen. Aber eine neue Haut brachte es mir nicht.
    Ein kalter Schauder durchfuhr mich, als ich die Verbände betastete. Bikinis würde ich für mich bestimmt vergessen können.
    Ich war wieder ein wenig eingedämmert, fuhr aber nach kurzer Zeit erneut hoch.
    Dass ich meine Freunde verloren hatte, war ja nur die eine Seite. Der Verlust, der zuvor eingetreten war, der Grund, warum ich nicht mit ihnen gestorben war, das war die wirkliche Ursache meiner Trauer. Vater! Julian. Er hatte schon früh darauf bestanden, dass ich ihn mit seinem Namen anredete. Er fand den Titel Vater so altmodisch. Und ich kam mir außerordentlich wichtig und erwachsen vor als Kind. Meine Mutter hatte es dagegen missbilligt und erst in den letzten Jahren akzeptiert, dass ich sie Uschi nannte. Von Julian sprach sie allerdings unverdrossen als »dein Vater«.
    Es war unfassbar.

    Julian war achtundfünfzig, ein vitaler Mann mit vielen Plänen. Seine wirklich große Zeit als Star am Schlagerhimmel war vorbei, aber das bedauerte er nicht. Er hatte es auch nicht nötig, sich über seinen Zenit hin zu verkaufen. Er nahm keine Engagements um jeden Preis an, wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen es tun mussten. Er hatte klug gewirtschaftet, wenn auch deswegen gelegentlich bespöttelt und als Mister Saubermann verhöhnt, weil er sich vom Glamourleben weitgehend ferngehalten hatte. Auch als Ehemann war er, soweit ich es beurteilen konnte, beständig und solide gewesen. Vor achtundzwanzig Jahren hatte er geheiratet, als Uschi, damals Bühnen-Tänzerin, ein Kind von ihm erwartete. Auf mich, seine Tochter, war er stolz. Er taufte mich Anahita, was aber in allerkürzester Zeit zu Anita wurde.
    In den vergangenen zwei, drei Jahren hatte er sich überhaupt nicht mehr um populäre Schlager gekümmert, sondern eine ganz andere Richtung eingeschlagen. Er war künstlerisch eigenwilliger geworden, hatte experimentiert, und wer weiß, womöglich hätte er noch einmal einen anderen Zenit erklommen. An Fähigkeiten fehlte es ihm wahrhaftig nicht.
    Ich schloss die Augen, um zu vermeiden, dass mir die Tränen kamen. Er würde mir fehlen. Er fehlte mir jetzt schon. Lebte er noch, könnte ich sicher sein, dass er jetzt hier an meinem Bett säße und mir eine seiner fantastischen Geschichten erzählte. So wie er es immer getan hatte, wenn ich als Kind einmal krank war. Er hatte eine blühende, überaus bildhafte Fantasie, die einen restlos in Bann schlagen konnte, die einen vergessen ließ, wo man war und wer man war. Als ich älter geworden war, hatte ich ihn oft gebeten, diese Geschichten aufzuschreiben, und ich glaubte nach wie vor, dass sie das wert waren.
Doch er hatte nur gelacht und gesagt, das mache ihm zu viel Arbeit. Er erfand sie und vergaß sie wieder. Sein Dämon hieß Musik, nicht Dichtkunst.
    Der seltsame Traum fiel mir ein. Ja, wenn ich es recht betrachtete, dann war er so wie die Geschichten, die Julian zu erfinden pflegte. Eventuell war es sogar die Erinnerung an eine solche Erzählung. Er hatte stets großen Wert darauf gelegt, ganz genau zu beschreiben, wie seine Personen gelebt hatten. Nie waren sie in einer unglaubwürdigen Fantasie-Welt angesiedelt, sondern in einer nachvollziehbaren, historisch belegten Zeit. Die Vergangenheit hatte ihn fasziniert, in seiner Freizeit hatte er viele Bücher und Artikel darüber gelesen. Mich hatte er schließlich damit angesteckt. So sehr, dass ich es zu meinem Beruf hatte machen wollen. Beachvolley und Strandaerobic betrieb ich nämlich nur in den Semesterferien. Meine Zeit an der Universität war allerdings seit einem halben Jahr endgültig vorbei. Nach der Abschlussprüfung hatte ich nur noch einmal ein paar Monate ausspannen wollen, um im Herbst mein Brot in einem renommierten Auktionshaus zu verdienen. Eine Planung, die fürs Erste zunichte gemacht worden war.
    Julian hatte sich darüber gefreut, dass ich Kunstgeschichte studiert hatte. Ich musste trotz meiner Trauer lächeln. Wie sehr es ihn wohl erstaunt hätte, dass selbst nach seinem Tod sein Einfluss auf mich noch so groß war, dass ich eine seiner Geschichten im Traum erlebte. Oder mochte es ein letzter Gruß von ihm gewesen sein? Einer aus

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