Der Siegelring - Roman
Die Fotos stammten von einem Marc Britten. Toll!
Was ich diesem verfluchten Marc aber besonders übel nahm, war die Aufnahme, die die besagte Überlebende in wenig dekorative Verbände gewickelt in einem Krankenhausbett zeigte. Dieser Mistkerl hatte mich fotografiert, bevor er mir sein hilfreiches Angebot unterbreitete. Ich wünschte, ich könnte ihn erwürgen. Etwas anderes kam nicht in Frage. Die Bilder waren erschienen, rückgängig gemacht werden konnte das sowieso nicht mehr.
Zudem war es schwer, Uschi davon zu überzeugen, dass ich mich nicht mit Absicht in dieser angeschlagenen Form der Presse präsentiert hatte. Sie war absolut verstört und aufgebracht durch die schrecklichen Ereignisse. Ich vermutete außerdem stark, dass ihr Arzt ihr irgendwelche dämpfenden Medikamente verschrieben hatte, denn sie wirkte stellenweise richtiggehend verwirrt. Sie tat mir Leid, natürlich. Sie war in ihrem ganzen Leben kein sehr starker Mensch gewesen und hatte sich, solange ich denken konnte, an meinen Vater gelehnt.
Nun war diese Stütze fort, und sie musste mit den Schwierigkeiten alleine zurechtkommen, denn auch ich fiel derzeit aus. Es war natürlich furchtbar, dass sie von der Paparazzia belagert wurde, dass ihr und Julians Leben durch die bunten Blätter gezerrt wurde. Jedes alte Tränenkrüglein wurde geschüttelt, jedes Skandälchen noch mal aufgewärmt und jeder Tratsch und Klatsch genüsslich breit getreten. Zusätzlich untersuchte natürlich die Polizei den Todesfall, und es war durchgesickert, dass sich Julian offensichtlich vor dem Unfall mit Psychopharmaka voll gepumpt hatte. Wirre Gerüchte von Selbstmord waren aufgetaucht, Mutmaßungen, dass er mit dem Ende seiner Karriere nicht klargekommen sei, wurden geäußert. Familiäre Probleme, eine anspruchsvolle Geliebte, sogar Drogensucht wurden vorgeschoben - alles ein hanebüchener Unsinn und ein Rufmord ohnegleichen, der meiner Mutter verständlicherweise die Nerven raubte. Ich nahm an, dass sie irgendwo in ihrem Herzen ein bisschen Bedauern für mein Schicksal empfand, aber sie war nicht in der Lage, es mir zu zeigen. Sie lud ihre Wut und ihre Verzweiflung bei mir ab und machte mich zum Sündenbock, ohne dafür einen stichhaltigen Grund zu haben. Ich tat mein Möglichstes, um Geduld zu wahren. Aber es war schwer.
Ich packte die Zeitschriften und Berichte zusammen, raffte mich auf, um Uschi von meinen nächsten Terminen zu berichten und ging ins Wohnzimmer hinunter.
Meine Mutter war ihr Leben lang sehr schlank gewesen, und als Tänzerin hatten vor allem ihre langen Beine bestochen. Jetzt trug sie tiefstes Schwarz und schien in den vergangenen Tagen mehrere Kilo an Gewicht verloren zu haben. Sie wirkte mager, knochig und verhärmt. Sie saß einfach so auf dem Sofa und starrte aus dem Fenster in den blühenden Garten. Ich setzte mich neben sie
und legte ihr den gesunden Arm um die Schulter. Erschrocken fuhr sie zusammen und schüttelte den Arm ab. In ihrem Gesicht standen Ekel und Entsetzen.
»Mein Gott, wie siehst du denn aus!«, fuhr sie mich an. »Hättest du die Verbände nicht drüber lassen können?«
»Entschuldige«, sagte ich und setzte mich so, dass sie nur meine unversehrte linke Seite im Sichtfeld hatte. Uschi war außerordentlich empfindlich geworden. »Sie sagen, dass es in ein paar Tagen schon besser sein wird. Außerdem bin ich ab dem Zwanzigsten erneut eine Woche lang in der Klinik. Die Schulter, weißt du!«
»Und wenn du wieder hier bist, willst du von vorne bis hinten bedient werden. Als hätte ich keine anderen Sorgen.«
»Uschi, ein wenig ungerecht bist du schon. Du brauchst mich nicht zu bedienen. Ich komme selbst zurecht. Und sowie ich mich einigermaßen erholt habe, werde ich mir so schnell wie möglich eine eigene Wohnung organisieren, keine Angst!«
»Ach ja, verlass du mich ruhig auch noch. Erst dein Vater, jetzt du. Keinem von euch beiden habe ich je nur einen Hauch bedeutet.«
»Du hast Julian immer sehr viel bedeutet, das weißt du genau. Warum steigerst du dich nur so in deine Vorurteile rein?«
Es war wirklich sehr mühsam, die Ruhe zu bewahren.
»Dann verrate mir mal, warum er sich ständig mit anderen Frauen herumgetrieben hat!«
»Hat er das wirklich? Ich weiß es nicht, Uschi. Bildest du dir das vielleicht nur ein? Er hatte natürlich viele Termine, auch mit Frauen, und ein paar alte Bewunderinnen waren ihm wohl auch hin und wieder auf den Fersen, aber ich glaube nicht, dass er ihnen je mehr als ein Autogramm in
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