Der Siegelring - Roman
wahr?«
Sie sah ihn an, und ihre Augen wurden traurig.
»Falco«, sagte sie leise.
Und Valerius Corvus lachte schallend auf.
»Nein, der wirklich nicht. Er hat mir selbst erzählt, dass es jemanden gibt, aber auch er weiß nicht, wer es ist.«
»Oh …«
»Aber, Barbarin, deine Beobachtungsgabe ist gut. Falco mag Ulpia Rosina, und wenn ich nicht wäre - wer weiß?«
»Nun ja, Dominus, dann kann ich Euch wahrhaftig an dieser Stelle nicht weiterhelfen.«
»Nein, wir kommen so nicht viel weiter. Du hast vermutlich ansonsten ebenso wenig darüber herausgefunden, wer die Gallier oder andere Aufrührer mit Nachrichten versorgt?«
»Nein, es ist überhaupt nichts weiter vorgefallen. Den Barden habe ich auch schon lange nicht mehr gesehen.«
»Ja, es ist ruhig geworden, aber ich glaube nicht, dass es so bleibt. Diese Sache hier … ob sie mit den Überfällen auf die Legionäre oder die anderen Reisenden etwas zu tun hat, möchte ich beinahe bezweifeln.«
»Ich auch. Wie gesagt, es sieht nach einer persönlichen Rache aus. Dominus, wenn Ihr morgen zur Colonia reitet, nehmt jemanden zum Schutz mit.«
Erstaunt fragte Valerius Corvus: »Machst du dir Gedanken um mich?«
»Ja, Dominus. Ihr seid mein Herr, und ich habe Euer Bein und Eure Hose geflickt. Gibt mir das nicht das Recht, mich um Euer Wohlergehen zu sorgen?«
Er stand auf, stützte sich auf seinen Stock und humpelte zu ihr hin.
»Wenn du es willst, Barbarin, dann hast du das Recht dazu.« Sein Gesichtsausdruck wurde ungewöhnlich weich, als er dann sagte: »Ich habe bislang vergessen, dir zu danken. Du hast mir sehr geholfen. Ich werde es dir vergelten, das verspreche ich dir.«
»Es ist schon gut, Dominus.«
»Dein Freund Martius und zwei weitere Legionäre werden mich morgen begleiten. Das sollte Schutz genug sein, denke ich.«
»Ja, das sollte es.«
»Und dann habe ich noch eine Bitte an dich.«
»Ja, Dominus?«
Er zog ein schmales Stilett aus dem Gürtel und legte es auf den Tisch vor sie hin.
»Du kannst damit umgehen. Bring es Ulpia Rosina bei. Sie soll es immer bei sich tragen.«
»Sie wird es nicht gerne tun. Sie ist anders als ich.«
»Ich weiß. Versuch es dennoch.«
»Ja, Dominus.« Er stand nahe vor ihr, und Annik sah zu ihm hoch. Sanft fragte sie: »Habt Ihr noch eine Bitte?«
Er senkte die Lider, aber schwieg. Und sie nahm die beiden Nadeln aus dem Haar, die den schweren Flechtenknoten in ihrem Nacken hielten. Der blonde Zopf rollte wie eine lebende Schlange über ihre Schultern. Doch als sie das Lederbändchen an seinem Ende abstreifen wollte, sagte er: »Nein!« Stattdessen nahm er die Flechte in seine Hand und ließ sie durch die Finger laufen.
»Goldene, warme Seide. Leb wohl, Annik. Ich muss ins Haus zurück, und morgen früh reite ich. Ich komme erst im November wieder her.«
Ohne ein weiteres Wort ließ er sie alleine.
22. Kapitel
Besuch des Matronentempels
Drei prächtige Legionäre warteten am nächsten Morgen am Pförtnertor, als der Hausherr sich zum Aufbruch bereitmachte. Das Licht glänzte auf ihren Brustpanzern und Helmen, und die Metallbeschläge ihrer Uniformen funkelten. Martius stieg ab, als er Annik aus ihrer Hütte treten sah und ging auf sie zu, um sie zu begrüßen.
»Ich habe dich lange nicht mehr zu Gesicht bekommen, Rayan.«
»Martius.«
»Schön - Martius. Unsere Heimat scheint zunehmend ferner zu rücken, nicht wahr?«
»Ich denke kaum noch daran. Es gibt hier viel mehr Möglichkeiten. Dir geht es doch auch ganz gut, oder?«
»Doch, ja. Es ist erträglich.«
Er nickte ihr zu und sah dann, wie Valerius Corvus auf seinen Stock gestützt aus dem Haus kam. Annik wies leicht mit dem Kopf zu ihm hin.
»Martius, pass ein wenig auf ihn auf. Es braucht zwar nicht jeder zu wissen, aber er hat eine frische Pfeilwunde im Bein. Er wird es zwar nicht zeigen, aber sie wird ihn sehr schmerzen.«
»Und woher weißt du, dass er diese Wunde hat?«
»Weil ich ihm den Pfeil herausgezogen habe.«
Martius sah mit einem schiefen Grinsen zu ihr hinunter.
»Du hast dich nicht sehr verändert, scheint mir. Nach wie vor bereit, dich um jeden lahmen Hund zu kümmern.«
»Er ist kein lahmer Hund!«, antwortete Annik mit Schärfe.
Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein, das ist er nicht. Ich bezog es auf mich, Annik. Du hast mich damals, als ich meine Eltern und mein Heim verloren habe, auch umsorgt. Er …«, sein Blick wanderte zu Valerius Corvus, »- er ist der bessere Mann für dich.«
»Wie kommst du
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