Der Sieger bleibt allein (German Edition)
wahrscheinlich kaum eingestehen, aus Angst, die Frustration könnte die Fröhlichkeit untergraben, die sie an den Tag legen müssen, ob sie nun glücklich sind oder nicht.
Kontakte.
Viele Kontakte erwiesen sich als nutzlos, aber manche halfen wenigstens ein bisschen weiter. Deshalb sind sie ja auch alle hier. Weil sie Kontakte haben, so zum Beispiel zu diesem Regisseur aus Neuseeland, der sie herbestellt hat. Keine hat gefragt, worum es eigentlich geht. Sie alle wissen nur, dass sie pünktlich sein müssen, da niemand Zeit zu verlieren hat, schon gar nicht im Filmgeschäft. Zeit haben nur diese jungen Frauen. Da sitzen sie im Vorzimmer mit ihren Mobiltelefonen und ihren Zeitschriften, verschicken zwanghaft sms , um herauszufinden, ob sie an diesem Tag irgendwo eingeladen sind, versuchen ihre Freunde zu erreichen, nur um ihnen zu sagen, dass sie nicht lange reden könnten, weil sie nämlich gleich ein Treffen mit einem wichtigen Regisseur hätten.
Gabriela wird als Vierte aufgerufen. Zwar hat sie versucht, die Blicke der drei Mädchen vor ihr zu deuten, die wortlos wieder herausgekommen sind, doch alle waren sie schließlich Schauspielerinnen und imstande, Gefühle zu verbergen, sei es Freude oder Traurigkeit. Sie waren mit festem Schritt zum Ausgang gegangen und hatten den anderen mit fester Stimme »viel Glück« gewünscht, als wollten sie sagen: »Ihr braucht euch überhaupt nicht aufzuregen, Mädchen, da gibt’s nichts zu gewinnen, ich habe die Rolle.«
Eine Wand des Raums, den sie jetzt betritt, ist mit einem schwarzen Tuch verhängt. Auf dem Boden liegen alle möglichen Kabel herum, es gibt ein paar mit einer Art Drahtgestell versehene Scheinwerfer, auf denen so etwas wie ein Regenschirm montiert ist, vor dem ein weißes Tuch hängt. Dazu eine Soundausrüstung, Monitore und eine Videokamera. In den Ecken stehen Mineralwasserflaschen, Metallköfferchen, Ständer und ein Computer verteilt. Auf dem Boden sitzt eine etwa 35-jährige Frau mit Brille, die in Gabrielas Book blättert.
»Grauenhaft«, sagt sie, ohne Gabriela anzusehen. »Grauenhaft.«
Gabriela weiß nicht recht, was sie machen soll. Vielleicht sollte sie so tun, als hätte sie nichts gehört, sich zu der Gruppe von Technikern gesellen, die sich in einer Ecke lebhaft unterhalten, rauchen oder einfach nur herumstehen.
»Die finde ich grauenhaft«, wiederholt die Frau.
»Das bin ich!«
Es ist ihr einfach so herausgerutscht. Sie ist durch halb Cannes gerannt, hat fast zwei Stunden in einem Warteraum gesessen und sich wieder einmal ausgemalt, dass ein vollkommen anderes Leben sie erwartet (obwohl sie diese fixe Idee inzwischen immer besser kontrollieren kann und sich nicht mehr so schnell blenden lässt wie früher). Eine weitere Enttäuschung verkraftet sie nicht.
»Das weiß ich«, sagt die Frau, ohne von den Fotos aufzublicken. »Die Bilder werden ein Vermögen gekostet haben. Es gibt Leute, die leben davon, Books herzustellen, Lebensläufe zu schreiben, Schauspielkurse zu geben, Leute, die letztlich ihr Geld mit der Eitelkeit von Menschen wie Ihnen verdienen.«
»Wenn Sie mich so grauenhaft finden, warum haben Sie mich dann herbestellt?«
»Weil wir jemand Grauenhaften brauchen.«
Gabriela lacht. Die Frau blickt endlich hoch und schaut sie von Kopf bis Fuß an.
»Mir gefällt, wie Sie sich kleiden. Ich hasse vulgäre Menschen.«
Gabrielas Traum lebt wieder auf. Sie bekommt Herzklopfen.
Die Frau reicht ihr ein Blatt Papier.
»Geh bis zur Markierung.«
Und zum Team gewandt:
»Macht die Zigaretten aus! Macht das Fenster zu, damit der Ton nicht gestört wird!«
Die »Markierung« ist ein Kreuz aus gelbem Klebeband auf dem Boden. So muss die Beleuchtung nicht immer wieder neu eingestellt werden, die Kamera braucht sich nicht zu bewegen – der Schauspieler steht an dem von der Technik vorgegebenen Platz.
»Ich schwitze wegen der Hitze hier. Kann ich nicht wenigstens ins Bad gehen und mich noch mal kurz überschminken?«
»Natürlich kannst du das. Aber wenn du wiederkommst, wirst du keine Zeit mehr für eine Aufnahme haben. Wir müssen das Material bis zum Ende des Nachmittags abgeben.«
Die anderen Mädchen hatten wahrscheinlich die gleiche Frage gestellt und die gleiche Antwort erhalten. Besser keine Zeit verlieren. Gabriela zieht ein Papiertaschentuch aus der Tasche und tupft sich das Gesicht ab, während sie zur Markierung geht.
Ein Assistent tritt an die Kamera, während Gabriela versucht, in aller Eile noch einmal zu
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