Der Sieger bleibt allein (German Edition)
Wieder zu einem absurden Preis.
Ewa hatte an jenem Abend so viel getrunken, dass sie ins Hotel getragen werden musste. Während Igor sie ins Bett legte, brachte sie endlich den Mut auf zu fragen:
»Wie würdest du reagieren, wenn ich dich eines Tages verlassen würde?«
»Trink nächstes Mal weniger!«
»Antworte mir!«
»Das wird niemals geschehen. Unsere Ehe ist vollkommen.«
Ewa wurde wieder nüchtern, stellte sich aber betrunkener, als sie tatsächlich war.
»Aber wenn ich es doch tun würde?«
»Dann würde ich dafür sorgen, dass du zurückkommst. Ich weiß, wie ich bekomme, was ich will. Auch wenn ich dafür ganze Welten zerstören muss.«
»Und wenn ich einen anderen Mann hätte?«
Er wirkte nicht verärgert, eher liebevoll.
»Auch wenn du mit allen Männern der Welt schlafen würdest, meine Liebe ist stärker.«
Seither war aus dem, was einmal als ein Segen begonnen hatte, ein Alptraum geworden. Ewa war mit einem Monster verheiratet, einem Mörder. Und was war das für eine Geschichte von der Finanzierung eines Söldnerheeres, um einen Stammeskrieg zu beenden? Wie viele Männer hatte Igor schon getötet, um zu verhindern, dass sie ihrer beider Ruhe störten? Er konnte natürlich den Krieg, die Traumata, die schwierigen Zeiten, die er durchgemacht hatte, ins Feld führen; aber viele andere hatten ähnlich Schlimmes durchgemacht und hielten sich trotzdem nicht für Werkzeuge göttlicher Gerechtigkeit, die den Großen Plan erfüllten.
»Ich bin nicht eifersüchtig«, hatte Igor immer wieder gesagt, wenn einer von ihnen auf Geschäftsreise ging. »Denn du weißt, wie sehr ich dich liebe, und ich weiß, wie sehr du mich liebst. Nichts kann unser gemeinsames Leben aus dem Lot bringen.«
Sie war jetzt mehr denn je davon überzeugt: Das war keine Liebe. Das war etwas Krankes, Morbides, das sie entweder hinnehmen konnte, und dann würde sie für den Rest ihres Lebens Gefangene ihrer Angst sein; oder sie musste sich bei der erstbesten Gelegenheit befreien.
Gelegenheiten hatte es mehrere gegeben. Aber der Beharrlichste war ausgerechnet der Mann gewesen, von dem sie es am wenigsten erwartet hatte: der Couturier, der die Modewelt zum Staunen brachte, der immer berühmter und von seinem Land erheblich finanziell unterstützt wurde, damit die Welt sah, dass die »Nomadenvölker« nicht mit einer Handvoll religiös motivierter Terroristen gleichzusetzen waren. Der Mann, dem die Modewelt immer mehr zu Füßen lag.
Bei jeder Messe, auf der sie sich getroffen hatten, ließ er alles stehen und liegen, sagte sämtliche Termine ab, nur damit sie etwas Zeit in einem Hotelzimmer miteinander verbringen konnten, häufig sogar ohne miteinander zu schlafen. Sie sahen fern, aßen, Ewa trank (er rührte nie einen Tropfen Alkohol an). Sie gingen im Park spazieren, besuchten Buchhandlungen, unterhielten sich mit Wildfremden, redeten wenig über die Vergangenheit, nie über die Zukunft und viel über die Gegenwart.
Sie hatte ihm, solange sie konnte, widerstanden, war nie in ihn verliebt gewesen und war es auch jetzt nicht. Aber als er ihr vorgeschlagen hatte, alles aufzugeben und nach London zu ziehen, hatte sie sofort eingewilligt. Es war der einzige Ausweg aus ihrer privaten Hölle gewesen.
Wieder eine sms auf ihrem Mobiltelefon. Das konnte nicht sein. Sie hatten seit Jahren keinen Kontakt mehr.
›Ich habe deinetwegen noch eine Welt zerstört, Katyusha.‹
»Wer ist das?«
»Keine Ahnung. Die Nummer wird nicht angezeigt.«
Am liebsten hätte sie gesagt: ›Ich habe wahnsinnige Angst.‹
»Wir sind fast da. Vergiss nicht, dass wir wenig Zeit haben.«
Langsam bahnt sich die Limousine ihren Weg zum Eingang des Hotel Martinez. Hinter den Absperrungen warten Menschen allen Alters den ganzen Tag und hoffen, irgendeine Berühmtheit aus der Nähe zu sehen. Sie machen Fotos mit ihren Digitalkameras, die sie im Internet in den virtuellen Communities hochladen, denen sie angehören. Wenn sie nur einen Blick auf die berühmte Schauspielerin, den bekannten Fernsehmoderator werfen dürfen, hat sich für sie das Warten schon gelohnt.
Auch wenn die Traumfabrik es nur solchen Menschen zu verdanken hat, dass sie weiter produzieren kann – näher dürfen sie ihren Stars nicht kommen. Wer ins Martinez hineinwill, muss gegenüber den an strategischen Punkten positionierten Sicherheitskräften den Nachweis erbringen, dass er entweder selbst Hotelgast oder mit einem Hotelgast verabredet ist. Dann muss er die Magnetkarte aus
Weitere Kostenlose Bücher