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Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Titel: Der Sieger bleibt allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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zu stellen (›Wer seid ihr? Wie kommt ihr zu Geld, wo wir hier alle in Armut leben?‹) und auf die Regierung zu schimpfen. Igor ertrug das ein paar Minuten lang.
    Dann bat er Ewa, ihn kurz zu entschuldigen, packte den Mann am Arm und führte ihn hinaus – das Restaurant lag an einer Straße, die nicht einmal einen Bürgersteig hatte. Igors Bodyguards erwarteten ihn dort. Ewa beobachtete durch das Fenster, dass er nur ein paar Worte mit ihnen wechselte – wahrscheinlich etwas wie ›Bleibt hier, und behaltet meine Frau im Auge!‹ – und dann mit dem Bettler in eine kleine Querstraße ging. Ein paar Minuten später kam er lächelnd allein zurück.
    »Er wird nun niemanden mehr stören«, sagte er.
    Ewa sah, dass sein Blick sich verändert hatte. Er schien von einer ungeheuren Freude erfüllt zu sein, wie er sie während des ganzen gemeinsamen Wochenendes nicht gezeigt hatte.
    »Was hast du getan?«
    Aber Igor antwortete nicht und bestellte mehr Wodka. Gemeinsam tranken sie bis in die frühen Morgenstunden. Er strahlte und war guter Dinge, während Ewa sich die ganze Zeit fragte, was er draußen gemacht hatte: Vielleicht hatte er ja dem Mann Geld gegeben, damit dieser aus dem Elend herauskam, denn den weniger vom Glück Begünstigten gegenüber hatte er sich immer großzügig gezeigt.
    Auf dem Rückweg zum Hotel sagte er plötzlich:
    »Ich habe das bereits in meiner Jugend gelernt, als ich in einem ungerechten Krieg für ein Ideal gekämpft habe, an das ich selber nicht glaubte. Es ist immer möglich, dem Elend für immer ein Ende zu bereiten.«
     
    Nein, Igor konnte nicht hier in Cannes sein, Hamid musste sich getäuscht haben. Die beiden hatten sich nur ein Mal gesehen, und zwar in dem Apartmenthaus, in dem sie in London lebten und in dem Igor plötzlich aufgekreuzt war, um Ewa anzuflehen, zu ihm zurückzukehren. Hamid hatte ihm aufgemacht, ihn aber nicht hereingelassen und gedroht, die Polizei zu rufen. Anschließend hatte Ewa sich eine Woche lang geweigert, das Haus zu verlassen und Kopfschmerzen vorgetäuscht, aber die Wahrheit war, dass sie wusste, der Engel des Lichts war zum absoluten Bösen geworden.
    Sie klappt ihr Handy wieder auf und liest die sms noch einmal.
    Katyusha. Nur ein Mensch nannte sie so. Er gehörte ihrer Vergangenheit an und würde sie wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens terrorisieren, auch wenn sie in einer geschützten Welt lebte, zu der er keinen Zutritt hatte.
    Derselbe Mensch, der nach seiner Rückkehr aus Irkutsk, als wollte er sich von einem ungeheuren Druck befreien, angefangen hatte, über die Schatten zu sprechen, die seine Seele bevölkerten.
    ›Niemand, wirklich niemand darf unser Beisammensein stören. Wir arbeiten viel und bemühen uns, eine gerechtere, menschlichere Gesellschaft zu schaffen. Wer aber die wenige Zeit persönlicher Freiheit missachtet, die uns noch bleibt, der muss weggeschafft werden, und zwar so, dass es ihm niemals mehr in den Sinn kommt, es wieder zu tun.‹
    Ewa hatte sich gefürchtet zu fragen, was dieses ›und zwar so‹ bedeutete. Sie hatte geglaubt, ihren Mann zu kennen, aber von einem Augenblick auf den anderen war ihr so, als habe ein Unterwasservulkan zu rumoren begonnen und als würden die Schockwellen des nahenden Ausbruchs sich immer weiter ausbreiten. Sie erinnerte sich an das, was Igor ihr vom Afghanistankrieg erzählt hatte, wie er sich verteidigen und aus diesem Grund auch hatte töten müssen. Doch Reue oder schlechtes Gewissen deswegen hatte sie nie in seinem Blick gesehen.
    ›Ich habe überlebt, darauf kommt es an. Mein Leben hätte an einem sonnigen Nachmittag zu Ende gehen können oder im Morgengrauen in den schneebedeckten Bergen oder in einer Nacht, in der wir, im Glauben, die Lage unter Kontrolle zu haben, in den Zelten Karten spielten. Und wäre ich gestorben, hätte das auf der Welt nichts verändert: Mein Tod wäre nur ein weiterer Eintrag in der Heeresstatistik gewesen, und meine Familie hätte noch einen Orden erhalten.
    Aber Jesus hat mir geholfen – ich habe immer rechtzeitig reagiert. Weil ich die schwierigsten Prüfungen bestanden habe, die ein Mensch bestehen kann, hat mir das Schicksal die zwei wichtigsten Dinge im Leben gegeben: Erfolg bei der Arbeit und den Menschen, die ich liebe.‹
    Töten, um das eigene Leben zu retten, war eine Sache, eine andere war es, einen armen Trunkenbold, der ihr Abendessen unterbrochen hatte und leicht vom Restaurantbesitzer hätte entfernt werden können, ›für immer

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