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Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Titel: Der Sieger bleibt allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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Ego und das Bankkonto nähren; einen Indio aus dem Urwald des Amazonas, der unvermittelt von einem berühmten Sänger adoptiert wird und seine Wurzeln vergisst; einen Rechtsanwalt, der hart arbeitet, um die Rechte der weniger Privilegierten zu verteidigen, sich dann um ein öffentliches Amt bewirbt, die Wahl gewinnt und sich nun für unantastbar hält – bis er eines Tages in einem Motel mit einer Prostituierten entdeckt wird, die vom Steuerzahler bezahlt wird.
    Das Berühmtheitssyndrom. Wenn die Leute vergessen, wer sie sind, und anfangen zu glauben, was andere über sie sagen. Die Superklasse, der Traum aller, eine Welt ohne Schatten und dunkle Ecken, in der jede Bitte nur mit ja beantwortet wird.
    Igor ist mächtig. Er hat sein ganzes Leben lang darum gekämpft, einmal dorthin zu gelangen, wo er heute ist. Er war gezwungen gewesen, an langweiligen Abendessen, an nicht enden wollenden Vorträgen teilzunehmen, sich mit Menschen zu treffen, die er verabscheute, zu lächeln, wenn er eigentlich lieber ausfällig geworden wäre, oder ausfällig zu werden, obwohl er in Wirklichkeit Mitleid mit den armen Gestalten hatte, die für irgendjemanden als Sündenbock herhalten mussten. Er hatte Tag und Nacht gearbeitet, auch an den Wochenenden, er hatte unendlich viele Treffen mit seinen Rechtsanwälten, Geschäftsführern, Angestellten, Pressereferenten ertragen müssen. Er hatte nach dem Fall des kommunistischen Regimes bei null angefangen, und er hatte es bis ganz nach oben geschafft. Mehr noch, er hatte alle politischen und wirtschaftlichen Stürme überlebt, die sein Land in den ersten zwanzig Jahren des neuen Regimes heimgesucht hatten.
    Warum? Weil er Gott fürchtet und weiß, dass sein Lebensweg ein Segen ist, den er achten muss, weil er sonst alles verlieren würde.
    Selbstverständlich hatte ihm manchmal eine innere Stimme gesagt, dass er den wichtigsten Teil dieses Segens vernachlässigte: Ewa. Doch jahrelang war er sich sicher gewesen, dass sie ihn verstand, dass sie seine Arbeitswut als etwas Vorübergehendes akzeptierte. Danach würden sie ja schon bald alle Zeit der Welt miteinander verbringen können, ohne an Geld, Schulden, Verpflichtungen zu denken. Sie träumten von gemeinsamen Reisen, einem einsamen Haus in den Bergen, in dem sie am brennenden Kamin sitzen würden. Sie würden sich um die Schule für ihre vielen Kinder kümmern, die sie sich wünschten, ganze Nachmittage lang in den umliegenden Wäldern spazieren gehen und abends in den Dorfgasthöfen einkehren.
    Sie hätten Zeit, sich um den Garten zu kümmern, zu lesen, ins Kino zu gehen, all die einfachen Dinge zu tun, von denen alle träumen – all die Dinge, die das Leben wirklich lebenswert machen. Wenn Igor mit einem Stapel Akten nach Hause kam, die er auf dem Bett verteilte, hatte er Ewa jedes Mal um noch etwas Geduld gebeten. Wenn das Mobiltelefon ausgerechnet mitten in ein abendliches Tête-à-tête in einem Gasthof hineinklingelte und Igor notgedrungen ihre Unterhaltung unterbrach und sich mit der Person am anderen Ende der Leitung auseinandersetzte, hatte er Ewa wieder um etwas Geduld gebeten. Er wusste, dass sie alles nur Erdenkliche tat, damit er sich wohl fühlte, obwohl sie ihn zwischendurch immer wieder liebevoll ermahnte, doch das Leben zu genießen, solange sie jung waren, und ihn daran erinnerte, dass sie genügend Geld für die nächsten fünf Generationen hatten.
    Das stimmte; Igor hätte noch am selben Tag aufhören können zu arbeiten. Ewa hatte lächelnd Igors Gesicht gestreichelt. Und in diesem Augenblick war ihm eingefallen, dass er etwas Wichtiges vergessen hatte, war ans Telefon oder an den Computer gegangen, hatte ein Telefonat geführt oder eine E-Mail geschrieben.
     
    Ein etwa vierzigjähriger Mann erhebt sich plötzlich, blickt um sich, wedelt mit einer Zeitung und ruft:
    »›Gewalt und Schrecken in Tokio‹, steht hier. ›Sieben Tote in einem Elektronikladen.‹«
    Alle schauen zu ihm hinüber.
    »Gewalt! Die wissen doch gar nicht, wovon sie reden! Die Gewalt ist hier!«
    Igor läuft es kalt über den Rücken.
    »Wenn ein Verrückter ein paar Unschuldige ersticht, ist die ganze Welt entsetzt. Aber wen kümmert die ganz andere und viel schlimmere Gewalt, die in Cannes auf der Tagesordnung steht? Unser Festival wird von einer Diktatur ermordet. Es geht hier nicht mehr darum, den besten Film auszuwählen, sondern um Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Menschen werden gezwungen, Produkte zu kaufen, die sie nicht wollen,

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