Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
seiner Stelle da im Schneesturm erschossen worden wäre …“
Sie zogen es wieder vor zu schweigen und Fabian versuchte sich mit der Weltcup-Tabelle abzulenken.
Da Florian im Slalomweltcup mehr als hundert Punkte Vorsprung auf den Zweitplatzierten hatte, stand er als Slalomweltcupsieger fest und wusste noch nichts davon, weil er immer noch an Fabians Schulter schlief. Nebenan telefonierte Justin mit seinem Kumpel Julio.
„Ich möchte was sagen!“
Fabian schreckte auf. Patrik stand vor ihm. „Der Rauswurf von Chalbermatter war eben hart für mich. Ich denke, bis nächste Saison werde ich mich an dich und Florian gewöhnt haben. Gib mir Zeit.“
„Easy!“, antwortete Fabian. Patrik nickte nochmals und setzte sich wieder zu Damien und Conradin.
Während des einstündigen Flugs nach Zürich grübelte Fabian darüber nach, ob er nicht den Rest der Saison ganz sausen lassen sollte? Aber sein Freund aus dem Schwarzwald neben ihm würde nicht wollen, dass er sich wieder im sprichwörtlichen Schrank verkroch.
Zürich-Kloten begrüßte die Athleten mit Nieselregen, doch das war Fabian egal.
„Florian! Mir sind uf de Pischte achtezwanzg, z’Chloote“, freute er sich und stieß seinem dösenden Freund in die Seite. Endlich durfte er wieder schweizerdeutsch sprechen.
„Es ist am Terminal heftig was los“, meinte die Pilotin bei der Verabschiedung am Gate.
Zunächst sorgte sich Justin, dass es wegen Stas Probleme am Zoll geben könnte. Aber dessen Lastwagenfahrer-Visum war für den gesamten Schengenraum gültig, somit auch für die Schweiz. Die grimmige Zöllnerin bei der Passkontrolle meinte zu der neugierig beobachtenden Schar. „Passt aber schön auf euer Findelkind auf! Klar?“
Justin und Fabian nickten und durften dann zur Gepäckausgabe. Die Rucksäcke waren tatsächlich angekommen, die Tourenskier auch. Zwei Sicherheitsbeamte lenkten die normalen Flugpassagiere vom vorderen Nichts-zu-Verzollen-Ausgang weg.
„So schlimm?“, fragte Fabian besorgt einen Zollbeamten.
„Absolutes Chaos“, antwortete der knapp und gab mit dem Handy durch: „Sie chömed jetzt!“
„Wir machen Medaillen voraus!“, befahl Monti und schickte Fabian, Justin und Florian an die Spitze.
„Ich warte dann bei Julio, genießt es, Jungs!“, wünschte Vanessa.
Eins, zwei, drei! Fabian schob seinen Gepäckwägelchen an, ging am Warenzoll vorbei, die Beamten dort salutierten, als Fabian mit Justin durchfuhr. Dahinter wurden sie für die Wartenden durch Glasscheiben sichtbar. Die Treicheln dröhnten so heftig los, dass es schon hinter der letzten automatischen Schiebetür laut zu hören war. Einmal tief einatmen, schieben, die Tür ging auf und die ganze Halle voraus war unüberschaubar voll mit Leuten. Sie lärmten und johlten, links fiel Fabian eine Gruppe auf, die einen Banner trugen:
„Schönau im Schwarzwald grüßt unseren Ski-Engel Florian!“
Fabian hatte nicht gewusst, dass abgesehen vom Team überhaupt jemand den Spitznamen „Engelchen“ mitbekommen hatte. „Da sind Mama und Papi“, rief Florian und schob seinen Wagen nach links. Daneben wehte eine Fahne des Kantons Waadt Die Gruppe war extra aus der Westschweiz für Damien nach Zürich gefahren. Da wurde der Glarner Fridolin geschwenkt und ein Spruchband:
„Der Skiklub Glarus Süd grüßt den Doppelolympiasieger“
. Der Präsident des Skiclubs, in dem Fabian Mitglied war, ergriff die Gelegenheit, um zu fragen, wann er denn im Zigerschlitz – so wurde scherzhaft das Haupttal des Kantons Glarus genannt – aufkreuze. Fabian nannte dem Mann lapidar „übermorgen Vormittag“. Etwas weiter hinten wurde eine Regenbogenfahne geschwenkt; dort musste Julio sein und Justin zog es zu der Liechtensteiner Fahne und der blau-gelben von Triesenberg, zu dem Justins Wohnort Malbun als Ortsteil gehörte. Jede Menge Kameras, diverse Fernsehteams und Zeitungsfotografen, die alles noch viel unübersichtlicher machten. Fabian wusste eigentlich gar nicht recht, wo mit Händeschütteln anfangen. Er hatte sich vorgestellt, dass ein paar Neugierige, das Fernsehen sowie vielleicht Julio und dessen Kumpels ihn erwarten würden, aber dass die Ankunftshalle voll mit Leuten wäre, hatte er sich nicht vorstellen können. Vor allem da ja wohl erst seit Mittag bekannt war, dass sie noch lebten, und manche befürchtet hatten, die Fans würden sich von einem offen schwul lebenden Sportler abwenden. Er schüttelte erst bei seinem Skiclub Hände. Dann traf er auch auf den bulligen Schwinger
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