Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
offen zu sich zu stehen. Da hätte ich mir mehr Unterstützung durch das IOC erhofft, anstatt der dauernden Drohung mit Regel fünfzig – das politische Neutralitätsgebot für Athleten. Homosexualität ist weder eine Religion noch eine Partei, aber genau als solche wird es vom IOC behandelt. Bald muss ich wohl an den Wettkämpfen meine roten Haare schwarz färben, da rot die Farbe der Kommunisten und Sozialisten ist.“
„Welche Gefühle haben Sie gegenüber David Koslow?“
„Dazu möchte ich nichts sagen.“
„Finden Sie die Lösung mit dem Nachholen des olympischen Slaloms in einem Monat gut? Ist es sicher, dass sie dort hochoffiziell zum Doppelolympiasieger erklärt werden?“
Nachdem Koslow aufgeflogen war, gab es keinen Grund mehr, Fabian den zweiten Sieg abzuerkennen, aber es gehörte sich nicht, den Entscheidungen des Sportgerichtshofs öffentlich vorzugreifen.
„Ich verweise dazu auf die Pressestelle von Swiss Olympic. Guten Abend.“
Fabian wollte nun lieber ein paar Hände schütteln; die Journalisten beschränkten sich wieder aufs Beobachten. Der Kommandant der Gebirgsspezialisten und zwei Ausbilder, die Fabian kannte, waren von Andermatt extra angereist. Der Kommandant verzichtete auf Bemerkungen wie „guter Schuss“ oder dergleichen, sondern gratulierte zur erfolgreichen Rettung von sehr vielen Personen durch das Hochgebirge. Darauf sei es ja bei Fabians Auftrag angekommen und er würde gerne Details erfahren, welche technischen und psychologischen Probleme bei einer solchen Rettungsaktion auftreten. Fabian versprach dem Kommandanten, nach Saisonende das Gebirgsspezialisten-Kommando zu besuchen, um darüber vorzutragen. Dann folgte etwas, das ihm mehr Bauchschmerzen bereitete: Florian wollte ihn seinen Eltern vorstellen, da sie ihn auf ein Wochenende in den Schwarzwald einladen wollten. Auch das würde er gerne nach Saisonende machen, versprach er scheu. Er hatte ja keine Ahnung, wie man sich als Schwiegersohn zu verhalten hatte. Aber bevor Florian mit seinen Eltern fuhr, mussten sie zusammen endlich bei den Leuten um die Regenbogenfahne vorbeischauen und dort jede Menge Hände schütteln und Jungs und Mädels drücken. Julio konnte er erkennen und winkte kurz. Eine Umarmung mit Florian oder gar einen Kuss zum Abschied vor all den laufenden Kameras traute sich Fabian nicht aber ein langer Händedruck und das Versprechen möglichst bald zu telefonieren, mussten sein.
Als Fabian endlich mit Justin und Stas sowie Julio und zwei seiner Kumpels in einem Minibus saß, konnte er nicht mehr sagen, wie viele Hände er geschüttelt hatte. Aber der Spanier hatte einen dicken Kuss für seine Wegpunkte verdient, der präzise genug gewesen war, sie im Nebel und Schneesturm sicher durch das Hochgebirge zu führen.
„Euch Ski-Kerlen ist aber schon klar, dass ihr jetzt so berühmt seid wie Mitcham, Daley, Rogers und Hitzlsperger. Wir sind mega stolz auf euch!“, betonte Julio, als sie sich in einem Minibus in Richtung Zürcher Stadtzentrum auf den Weg machten. Stas wollte von Spanier alles wissen, wie die Szene in Zürich wäre, ob es wirklich wahr sei, dass kaum Polizei aufgeboten werden müsse, um die CSD-Parade zu schützen. Er fragte auch, wie das wäre, in der Schweiz Asyl zu bekommen. Julio wich aus, indem er ihm empfahl, sich als Student einzuschreiben und das mit dem Asylantrag bleiben zu lassen. Fabian hörte nicht mehr so genau zu, wie jetzt über das restriktive Schweizer Asylwesen diskutiert wurde. Vanessa tippte eine Nachricht an Richard. Das fand Fabian eine gute Idee, schickte
auch eine
und erhielt postwendend ein
HDGDL (*_*)
. Es ging dem Geliebten also gut und strahlte vor Glück. Florian würde sich in einem Monat bestimmt Gold im Slalom holen und Justin würde wohl bald mit Stas eine gemeinsame Wohnung suchen, davon war Fabian überzeugt. Noch diese Woche wollte er mit Florian zusammen eine neue E-Gitarre kaufen. Das erinnerte ihn an die Schwulen und Lesben aus dem Café in Sotschi, für die ein offen schwuler Olympiasieger so viel bedeutet hatte. Was würde nun aus ihnen werden?
Am Hahnenkamm
Das Dorf Kitzbühel lag in den letzten Märztagen bereits schneefrei. Auch die Südhänge in Tirol zeigten bereits braune, schneefreie Wiesen. Doch zu Justins Beruhigung lag auf den gegen Nordwesten ausgerichteten Hängen des Hahnenkamms noch Naturschnee. Nur die untere Hälfte der Slalompiste hatten die Organisatoren des Olympia-Ersatzrennens künstlich beschneien müssen.
Der Rummel würde
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