Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
zum georgischen Flughafen von Kutaissi hatten sich zwei Dutzend Bärtige in schwarzen Kutten versammelt sowie eine doppelt so starke Menge Zivilisten, vorwiegend junge Männer. Plakate wurden hochgehalten. Sie waren zu weit weg, um den Text lesen zu können, aber das Homoverbot-Piktogramm, das analen Geschlechtsverkehr symbolisierte und mit einem roten Balken durchgestrichen war, konnte man auch aus dieser Entfernung erkennen. Anscheinend hatte man in der zweitgrößten Stadt Georgiens Wind von der Ankunft der westlichen Athleten bekommen und die orthodoxen Priester hatten eine spontane Kundgebung organisiert, die gerade einmal zwei Polizisten überwachten. Der vorne und hinten von einem Radpanzer begleitete Bus-Konvoi stoppte abrupt in der letzten Kurve.
„Fabian, gib Justins Freund deine Team-Skijacke“, befahl Vanessa. „Als Lastwagenfahrer hast du doch ein Visum für den Schengenraum, Stas?“
„Ja!“, antwortete der Russe.
„Also schmuggeln wir ihn in die Sondermaschine rein!“
„Vani, das ist bestimmt verboten!“, warf Justin ein.
„
Madonna!
Als ihr den Flieger abgeschossen habt, dachte ich allen Ernstes, ihr wärt nicht mehr Jungs, sondern Männer! Sag du auch was, Richard!“
„Wir könnten es ja versuchen!“, meinte der Prinz.
Also nahm Fabian seinen Pass aus seiner Jacke und warf sie zu Stas hinüber. Draußen hatten sich die zwei Radpanzer quergestellt, um eine Mauer zwischen dem Eingang des Flughafengebäudes und den Demonstranten zu bilden. Sie mussten schnell ins Flughafengebäude eilen, bevor sich die frommen Demonstranten trauten, die Radpanzer zu umgehen.
Stas zögerte, als im Gebäude ein Zollbeamter sie alle durch die Passkontrolle winken wollte.
„Du schläfst bei Julio und mir!“, bestätigte Justin und zog ihn am Ärmel mit durch den Zoll.
Erst als Fabian in das weiße Flugzeug mit der Aufschrift „Bundesrepublik Deutschland“ einstieg und an der Tür vom weißhaarigen Bundesaußenminister Steinmeier per Handschlag begrüßt wurde, hatte Fabian das beruhigende Gefühl, den Homophoben entkommen zu sein. Den Medaillenträger erlaubte der Außenminister, am Konferenztisch Platz zu nehmen, an dem schon die Kanzlerin gesessen und regiert hatte. Fabian durfte am Fenster sitzen, Florian dank seiner Bronzemedaille gleich neben ihm, Justin und Pesenbauer – der sich ja bereits in der Maschine befand – ihm gegenüber. Richard verzichtete, er würde lieber den Flug zusammen mit Vanessa verbringen. Er flog ja auch regelmäßig in solchen VIP-Flugzeugen, für Fabian und Florian würde es wohl das einzige Mal im Leben sein. Die Maschine war aus Adler angekommen, weshalb Mayerhofer, Saubauer, Klaus Linthaler und all die anderen bereits an Bord waren. Der Funktionär, so schien es Fabian, war um Jahre gealtert. Für mehr als ein „Die Schweiz ist stolz auf Sie, Luchsiger!“ reichte es nicht mehr, denn der Pilot wollte starten.
In dem Moment, als die Maschine abhob, fühlte sich Fabian erstmals richtig frei. Er war dem Kaukasus entkommen, aber völlig sorglos fühlte er sich überhaupt nicht. Da hing einerseits nur eine Goldmedaille um seinen Hals, obwohl er zweimal der Schnellste gewesen war, andererseits würde Putin den Abschuss des Kampfjets bestimmt nicht nur mit einem Schulterzucken quittieren, und natürlich blieb die Frage, wie würde seine weitere Karriere als offen schwuler Sportler verlaufen? Aber immerhin gab es keinen Einspruch von Jörg, als Fabian mit Florian Händchen hielt.
Unter ihnen entschwand bereits die Schwarzmeerküste.
Jörg räusperte sich. „I hab am Flughafen in Adler mit meiner Verlobten telefoniert. Wir haben vor der Abreise nach Sotschi die Einladungen zur Hochzeit verschickt. Du und Florian habt eine per Post gekriegt.“
„Deinem Gesichtsausdruck nach gibt es da einen Haken“, brummte Florian.
„Als klar wurde, wie ihr beide zueinander steht, ist meine zukünftige Schwiegermutter ausgerastet, sie wolle keine in knappen Badehöschen tanzenden Bachenen – ich meine, Homosexuellen – an der Hochzeit ihrer Tochter und so. Du musst wissen, sie ist eben nie aus ihrem Dorf rausgekommen außer mal zum Urlaub auf Mallorca. Sie glaubt dem Pfarrer und ihr Mann der FPÖ jedes Wort. Sie schämt sich vor dem Pfarrer und hat Angst, was dann die Leut im Dorf sagen würden, wenn Schwule auf der Hochzeit tanzten. Mei Zukünftige und ich hätten nichts gegen euch g’habt.“
Florian wollte diese Bergdorfhomophobie nicht mit einer Antwort ehren und auch
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