Der silberne Buddha
sah, mußte er unwillkürlich lachen.
„Na, Mister Sherlock Holmes, macht die Denkerei Schwierigkeiten?“
Dicki schluckte. Clifton zwinkerte ihm zu. „Na, raus mit der Sprache, was kombinierst du nach dem, was du eben alles mitgehört hast?“
Dicki hielt es nicht im Sessel. Er hatte es so eilig, daß ihm die gekreuzten Beine um Haaresbreite zum Verhängnis geworden wären. Er baute sich vor Clifton auf, und aus seinem Mund sprudelte es: „Einbrecher sind in den Keller des Hart-ord-Hauses eingebrochen und haben Bier gestohlen. Und einen Vogelatlas. Aber den ließen sie auf einem Sofa liegen... Ja, und zweimal sind sie...“Dicki stockte. Irgend etwas schien ihm nicht in das Konzept zu passen.
„Na, was ist?“ fragte Perry Clifton neugierig.
Dicki hatte eine steile Falte zwischen den Augen: deutliches Zeichen intensiven Nachdenkens.
„Wegen Bier und einem Vogelatlas bricht doch niemand ein!“ ließ er seine Bedenken laut werden. „Und warum sagen Sie, daß...“ Er zeigte plötzlich auf den Telefonapparat. „Wer war das eigentlich, Mister Clifton?“
„Der Hausmeister des Hartford-Hauses!“
„Wegen einem bißchen Bier... Ich meine, Sir Ernest... Sie haben gesagt, er würde den Hausmeister über den Fortschritt der Dinge unterrichten?“ Mit einem Male trat ein ungläubiges Staunen in Dickis Augen.
„Mister Clifton“, fragte er mit vor Aufregung heiserer Stimme, „hat man was aus der Ausstellung gestohlen?“
Clifton nickte. „Man hat, Dicki! Zum Beispiel den goldenen Buddha!“ Und dann erzählte der Detektiv seinem jungen Freund alles über die Ereignisse des Tages. Angefangen von Cavens Telefonanraf im Kaufhaus, bei dem er ihm mitteilte, daß man den silbernen Buddha gestohlen habe, über seine spätere Entdeckung, daß es nicht der silberne, sondern der goldene war, bis hin zu seinem Besuch im Viktoria-Hospital bei Mrs. Case. Dicki lauschte ihm mit angehaltenem Atem und tomatenroten Ohren. Und es schien ihm sichtbar Mühe zu bereiten, all diese sensationellen Neuigkeiten zu begreifen. Als Perry Clifton schwieg, ließ er sich wieder in den Sessel plumpsen.
„Dann ist unser silberner Buddha jetzt gar kein silberner Buddha mehr!“ stellte er endlich fest.
„Wenn wir es genaunehmen, dann nein. Man kann es natürlich auch anders sehen. So zum Beispiel, daß wir zwei, außer den Dieben natürlich, im Augenblick die einzigen sind, die frohlocken können.“
Dicki sah Perry Clifton gespannt an. „Sie haben zu dem Hausmeister gesagt, daß seine Entdeckung in Ihre Spur passe. Haben Sie denn wirklich eine Spur?“
Perry tat entrüstet: „Na, das klingt ja gerade so, als hieltest du mich für einen Märchenonkel.“
„Nein, das bestimmt nicht!“ versicherte Dicki kopfschüttelnd. „Ich dachte nur, weil Sie doch erst heute mittag von dem Diebstahl erfahren haben.“
Perry Clifton lächelte und erwiderte: „Jetzt könnte ich natürlich sagen, daß du daran siehst, was ich doch für ein guter Detektiv bin, aber das stimmt nicht. Die Wirklichkeit sieht so aus, daß außer dem Buddha noch etwas gestohlen worden ist, und es wird dir die Sprache verschlagen, wenn ich es dir verrate. Aus dem Käfig in Saal drei hat jemand heimlich die chinesische Turteltaube gegen einen Kanarienvogel umgetauscht.“
Es hatte Dicki in der Tat einige Atemzüge lang die Sprache verschlagen. „Die gelbe Turteltaube, von der uns der alte Mann erklärt hat, wo sie herkommt?“
„Dieselbe!“ Perry Cliftons Blick tauchte zurück in die jüngste Vergangenheit. Genauer: An den Tag der Eröffnung der Ausstellung. Ganz deutlich sah er wieder die Begehrlichkeit in den Augen des älteren Mannes mit dem wettergegerbten Gesicht, als er ihnen Wesen und Herkunft des Vogels erklärte. Was hatte er doch auf Dickis Frage, ob er auch eine chinesische Turteltaube besitze, geantwortet? ,Nein, die sind gar nicht so leicht zu haben.’
„Und Sie glauben, daß dieser Mister Penny“, Dicki sah Clifton fragend an, „er hieß doch so, oder?“ Clifton nickte.
„Sie glauben, daß der den goldenen Buddha und die chinesische Turteltaube gestohlen hat?“
Clifton winkte ab. „Es ist nur ein ganz vager Verdacht, Dicki. Und trotzdem. Da gibt es auf der einen Seite einen Vogelkenner, dessen Hobby exotische Vögel sind, auf der anderen Seite verschwindet ausgerechnet jene Turteltaube, mit der unser Vogelfreund so geliebäugelt hat. Dazu hat sich im Keller ganz offensichtlich einer der Diebe — wahrscheinlich während einer Wartezeit
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