Der silberne Buddha
reagieren, wenn er jetzt erfuhr...
„Ihre Anwesenheit hier bei mir hat also mit der Ausstellung zu tun!“ mutmaßte der Asiate.
„Leider ja!“ antwortete Perry und dachte: „Es wird nicht besser, wenn ich wie die Katze um den heißen Brei herumtanze.“
Wang Yin schien das gleiche zu denken. „Bitte!“ forderte er seinen Besucher auf. „Sprechen Sie sich aus. Mister Clifton.“
Perry gab sich Mühe, seine Stimme ruhig und sachlich klingen zu lassen: „Sie, wie auch ich, haben dem Hartford-Haus einen Buddha für die Ausstellung zur Verfügung gestellt. Sie einen goldenen, ich einen silbernen. In der Nacht vom Freitag zum Sonnabend brachen Diebe in das Hartford-Haus ein. Sie entwendeten unsere beiden Statuen. Die silberne ließen sie mit einer Goldschicht überziehen, kehrten mit dieser in der folgenden Nacht noch einmal zurück und stellten sie auf das leere Podest des fehlenden goldenen. Daß der Tausch schon am Montag und nicht erst am Ende der Ausstellung entdeckt wurde, lag einzig und allein daran, daß ich den Unterschied bemerkte, nachdem mir Sir Ernest den Diebstahl meines Buddhas mitteilte.“
Kein Muskel im Gesicht Wang Yins hatte sich während Cliftons Bericht bewegt. Mit ausdrucksloser Miene war er den Ausführungen des Detektivs gefolgt. Trotzdem war jetzt eine leichte Erregung in seiner Stimme wirklich nicht zu überhören.
„Was sagt die Polizei? Warum wurde ich nicht bereits am Montag verständigt?“
„Sir Ernest Caven war ziemlich geschockt. Für ihn ging es um den Ruf des Hartford-Hauses, und seine größte Sorge bestand darin, daß der Diebstahl durch eine offizielle Untersuchung der Presse, und damit auch der Öffentlichkeit, bekannt werden würde. Ich schlug ihm deshalb vor, die Sache eine Woche geheimzuhalten, und wollte meinerseits versuchen, den Dieben auf die Spur zu kommen.“
„Und was veranlaßt Sie und Sir Ernest, mich vor Ablauf dieser Woche zu verständigen... oder sagen wir besser: ins Vertrauen zu ziehen?“
Die Frage war ohne Ironie und Vorwurf gestellt.
„Die Versicherung veranlaßt uns dazu, Mister Yin. Sir Ernest befürchtete Schwierigkeiten seitens der Versicherung, was sich inzwischen bestätigte. Nun wird er morgen früh offiziell Anzeige bei der Polizei erstatten, um damit der Forderung der Versicherung nachzukommen.“
Eine steile Falte stand zwischen den Augen des Konsulatsbeamten. Irgend etwas bewegte ihn über die Maßen, und Perry Clifton konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß es sich dabei nicht allein um die Tatsache des Diebstahls handelte.
„Sie sind Detektiv?“
„So ist es!“ nickte Clifton.
„Und es ist reiner Zufall, daß Sie durch die Leihgabe in den Fall verwickelt wurden!“
„Ja, das steht wohl außer jedem Zweifel.“
„Privatdetektiv?“
„Warenhausdetektiv!“
„Aber Sie haben bisher noch nichts herausgefunden, nehme ich an, oder irre ich da?“
„Sie irren, Mister Yin. So weiß ich zum Beispiel bereits, daß der goldene Buddha im Auftrag gestohlen wurde!“
„Im Auftrag?“ Ungläubiges Staunen in den Augen Wang Yins.
„Der Auftraggeber heißt Cheng und ist Koreaner!“ Es war, als hätte den Botschaftssekretär ein Schlag getroffen, so heftig fuhr er zurück.
„Natürlich ist das ein falscher Name!“ ergänzte Clifton und fuhr dann fort: „Dieser Cheng beauftragte einen gewissen Gordon Drake mit dem Diebstahl, und der kam auf den gescheiten Gedanken, den silbernen Buddha zu überspritzen.“
„Sahen sich die beiden Statuen wirklich so ähnlich?“ fragte Wang Yin leise.
„Kaum auseinanderzuhalten!“
Der Koreaner nickte. Dann stellte er eine eigenartige Frage: „Und Sir Ernest ist sehr betrübt?“
„Betrübt ist eine sehr blumige Umschreibung für seinen Zustand!“ erwiderte Perry Clifton mit einem schwachen Lächeln.
„Was hat Ihnen Sir Ernest über den Wert der Statue gesagt?“
„Daß sie mit Ihrem Einverständnis nur zum Goldwert versichert wurde und daß Sie den ideellen Wert auf hunderttausend Pfund beziffert haben.“
Wang Yin betrachtete nachdenklich eine winzige Buddha-Statuette auf seinem Schreibtisch.
„Sind Sie Buddhist?“ fragte er plötzlich.
„Nein. Der Besitz des silbernen Buddhas stellt kein Glaubensbekenntnis dar, ich bekam die Figur geschenkt.“
Wieder ein langer Blick auf die zierliche Buddhafigur.
„Mister Clifton, würden Sie mir bitte sagen, was Sie bisher in Erfahrung gebracht haben?“
„Darf ich Ihnen vorher zwei Fragen stellen, Mister Yin?“
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