Der silberne Buddha
Albert Case. Scott Skiffer hörte ihm aufmerksam zu. Ab und zu löffelte er dabei in der inzwischen servierten Gemüsesuppe. Als Clifton den Namen Gordon Drake nannte, grinste er breit und brummte etwas Unverständliches.
„Das wär’s, Scotty“, sagte Clifton in diesem Moment. Und er schloß mit den Worten: „Meine Schulaufgabe heißt also: suche und finde den goldenen Buddha.“
„Eine Aufgabe, zu der dich niemand zwingt, sondern um die du dich wieder einmal reißt!“ erwiderte Scott Skiffer trocken. Doch Clifton ließ sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen: „So hat eben jeder seinen Tick“, sagte er. „Du hast vorhin, als ich den Namen Gordon Drake erwähnte, so vielsagend dein schönes Gesicht verzogen. Kann ich daraus schließen, daß du ihn kennst?“
„Sein Spitzname ist ,der Sanfte’. Ich hab’ zweimal gegen ihn ermittelt. Einmal ging es um Goldschmuggel, ein anderes Mal um Wertpapiere, die einem amerikanischen Diplomaten abhanden gekommen waren.“
„Und?“
„Es blieb beim Ermitteln. Dabei wußte jeder, daß Drake seine manikürten Finger im Spiel gehabt hat. Bist du sicher, daß Caven morgen Anzeige erstatten wird?“
„Es bleibt ihm keine andere Wahl.“ Clifton lächelte. „Du wirst verstehen, daß ich mich bei der Fährtensuche ungern vom Fenster wegschieben lasse. Das läßt mein Ehrgeiz nicht zu. Du kennst doch ein paar Leute von der Polizeistation in Kensington.“
„Du doch auch!“ erwiderte Skiffer zur Überraschung Cliftons. Dann glaubte er zu wissen, worauf Skiffer anspielte. „Ich kannte, Scotty. Inspektor Willby ist inzwischen pensioniert, falls dir das entgangen sein sollte.“
„Ist mir nicht. Ich dachte auch weniger an Willby als an Detektivsergeant Madderling.“
„Steven Madderling, das Eichhörnchen?“ stieß Clifton ungläubig hervor. Er kannte Madderling vom Revier in Brock-ley, wo sie sich hin und wieder begegnet waren. Und er war auch Zeuge geworden, als der kleine, drahtige Beamte eine Wette für sich entschied, die ihm den Beinamen „das Eichhörnchen“ eingetragen hatte. Wäre er größer gewesen, hätte man ihn fortan vielleicht „Tarzan“ genannt. Er gewann die 100-Pfund-Wette, weil es ihm gelang, innerhalb von drei Minuten einen Riesenbaum hochzuklettern, vom obersten Ast auf einen Nebenbaum zu springen und heil unten anzukommen. Das ganze fand an einem Sonntag im Hydepark statt.
„Er arbeitet seit rund einem Jahr in Kensington“, fuhr Skiffer fort. „Außer Madderling kenne ich noch ganz gut Detektivinspektor O’Kelly. Soll ich ein Wort für dich ein-legen? Ich könnte mir denken, daß die Menge an Informationen, die du ihnen anbieten kannst, sie bei Laune hält. Obwohl der gute O’Kelly kein Freund von Privatschnüfflern ist...“
„Sag ihm, daß ich ein dicker Freund von dir bin und ausnahmsweise bereit wäre, mit ihnen zusammenzuarbeiten.“ Obwohl Perry Clifton diese Formulierung nicht so ernst meinte, tat Skiffer, als sei sie es. „Das wird ihn sicher beeindrucken!“
Beide lachten.
„Ich werde O’Kelly noch heute anrufen“, versprach der Yard-Inspektor. „Und damit ich auf alle Fragen von O’Kelly antworten kann, laß mich dir noch ein paar Fragen zur Sache stellen.“
„Schieß los!“ forderte Perry Clifton seinen Freund auf.
Scott Skiffer tat es gründlich.
Zum Beispiel, wie Perry Sir Ernest Caven einschätzte... Wer sich hinter Han Moon verbergen könnte...
Warum sich wohl der Seidenhändler Fu Li Song ausgerechnet einen Botschaftsangehörigen als Strohmann aussuchte...
War Wang Yin wirklich nur der Hilfeleistende...
Und —und—und...
Perry Clifton beantwortete Frage für Frage...
Als sie sich trennten, war das Belvedere bereits zur Hälfte mit essenden, trinkenden und schwatzenden Gästen besetzt.
Die altenglische Standuhr zwischen Theke und Essensausgabe schlug die sechste volle Stunde...
Zur gleichen Minute betrat in Chelsea ein Koreaner das Haus eines anderen Koreaners.
Wang Yin wurde vom alten Sen Tikh in Empfang genommen, der ihn nach Anmeldung auf leisen Sohlen zu Fu Li Song führte. Es war das erste Mal, daß der Seidenhändler seinen Landsmann nicht im Salon, sondern in seinem Arbeitszimmer empfing.
Fu Li Song schien bester Laune zu sein.
Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln kam Wang Yin sofort zur Sache. Als er zehn Minuten später das Haus des Seidenhändlers verließ, blickte ihm Fu Li Song vom Fenster des Salons aus nach. Von seinem Gesicht war der Frohsinn gewichen. Finster
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