Der silberne Buddha
drei Gauner. Sympathisches Aussehen bedeutete demnach nichts. Mühsam raffte er sich auf und ging zum Fenster. Ob sich dieser Schnüffler nach ihm umdrehen würde? Gar hochwinken?
Er öffnete das Fenster und beugte sich hinaus. Wie ein Blitz durchfuhr es ihn. Er zuckte zurück und schlug das Fenster mit solcher Heftigkeit zu, daß es klirrte. Eine Sekunde später, und Gordon Drake hätte ihn gesehen.
„Sie werden sich begegnen!“ murmelte Penny und sponn den Faden weiter: Gordon Drake würde den Schnüffler Clifton sehen und der Schnüffler Drake. Wie gut, daß die Personenbeschreibung, die er von Gordon Drake gegeben hatte, genau dem Gegenteil der Wirklichkeit entsprach.
Penny Nichols ahnte nicht, daß Perry Clifton dem eleganten Langen mit dem Papiersack auf der Schulter in diesem Augenblick die Tür auf hielt und Gordon ihm dafür ein „Herzlichen Dank, Sir!“ entgegenstrahlte.
Penny Nichols war zur Tür gesprungen, hatte den Riegel vorgeschoben, den Schlüssel zweimal im Schloß gedreht und herausgezogen. Nun saß er wieder auf dem Stuhl (den er aus dem Sichtbereich des Schlüssellochs gerückt hatte), sah auf die Tür und lauschte auf eventuelle Geräusche im Treppenhaus.
Obgleich er die sich nähernden schweren Schritte deutlich hörte, fuhr er zusammen, als es zuerst dumpf polterte und dann heftig gegen seine Tür klopfte.
Ein zweites Mal. Dann Gordon Drakes Stimme: „Penny...! Penny, schläfst du?“
Noch einmal donnerte es gegen das Holz, und Penny Ni-chols befiel die abenteuerliche Vorstellung, die Tür könnte splittern oder in tausend Teile zerspringen. Zwei-, dreimal rüttelte Drake noch an der Klinke, dann endlich schien er zu glauben, daß Nichols abwesend war. Penny vernahm ein undeutliches Gemurmel und ein kratzendes Geräusch. Er sah nach unten und entdeckte den Umschlag, der von außen unter der Tür hindurchgeschoben wurde. Er hielt den Atem an. Als er Drakes Schritte treppab poltern hörte, schien es ihm, als seien inzwischen Stunden vergangen. Er war erschöpft, von Angst, Sorge und Mißbehagen ausgepumpt, und einmal mehr nahm er sich vor, mit allen krummen Touren ein Ende zu machen.
„Wünsche deinen Vögeln guten Appetit!“ stand auf dem hellgrünen Umschlag, aus dem Penny die zweite Rate, 300 Pfund, entnahm. Er wollte die guten Wünsche schon wieder vergessen, als ihm jenes eigenartige Geräusch von eben wieder einfiel. Er huschte zur Tür, preßte ein Ohr gegen das rissige Holz und lauschte nach draußen. Im Treppenhaus rührte sich nichts. Er fischte den Schlüssel aus der Tasche und schloß leise die Tür auf. Und er schluckte gerührt, als er den Papiersack mit dem aufgedruckten Vogelkopf und dem Schriftzug Vogelhaus Taggerty fand. In solcher Verpackung befand sich nur teuerstes Exotenfutter.
Guter alter Gordon...
Perry Clifton wußte schon im voraus, was Scott Skiffer sagen würde, wenn er seine Stimme vernahm. Doch noch summte das Rufzeichen.
„Ja, Skiffer hier!“ Skiffers Stimme klang barsch und ungeduldig. „Er hat Ärger!“ durchfuhr es Clifton, und er zögerte. Ja, er erwog sogar, aufzulegen.
„Hallo, Scotty, ich hör’s deiner Stimme an, daß dich einer gepiesackt hat. Soll ich wieder auflegen?“
„Hallo, Perry, ich freue mich, daß du anrufst!“ Aller Groll im Organ des Yard-Inspektors war wie fortgeblasen. „Du wirst meinen Ärger verstehen, wenn ich dir sage, daß man mich eben irrtümlicherweise aus dem Bett geholt hat!“
„Hattest du Nachtdienst?“
„Ja. Seit Sonntag schon. In unserer Abteilung grassiert die Grippe, wir sind nur zu dritt. Wo steckst du?“
„In einer Telefonzelle schräg gegenüber der koreanischen Botschaft!“ erwiderte Perry Clifton, der sich darüber wunderte, daß ihm sein Freund Skiffer nicht wie üblich vorhielt, daß er nur anrufe, wenn er Wünsche habe. Oder würde das noch kommen?
„Wie geht es Julie?“
„Sie ist fröhlich und gesund wie immer.“
„Eine beneidenswerte Konstellation“, sagte Scott Skiffer und seufzte ins Telefon. Und dann fragte er: „Wie lange bist du noch in dieser Gegend?“
„Ich muß noch ein Telefongespräch erledigen und einen Besuch in besagter Botschaft machen. Warum fragst du?“
Skiffer tat unschuldig: „Na, ich nehme an, daß du mich anrufst, weil du eine Tasse Tee mit mir trinken willst. Oder irre ich?“
„Du kannst einfach nicht verleugnen, daß du Kriminalist bist“, frotzelte Clifton zurück. „Natürlich rufe ich wegen einer Tasse Tee an. Kennst du das kleine
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