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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gemeingefährliche Schwerverbrecherin ließ er sie von einem bewaffneten Posten am Eingang der provisorischen Quarantänestation bewachen – zur »Eindämmung ihres natürlichen Bewegungsdrangs«, wie er mit stiller Genugtuung erklärte.
    Wenigstens schien Lyttons Fürsorge echt zu sein. Mit ernstem Gesicht unterzog der Arzt sie einer Reihe von Tests.
    »Merkwürdig«, murmelte er, nachdem er das Röhrchen mit dem ihr entnommenen Blut durch einen Stopfen verschlossen hatte.
    »Nun machen Sie es nicht so spannend, Percey«, drängte Yeremi. »Was ist los mit mir?«
    »Ich muss natürlich erst Ihr Blut, den Rachenabstrich, Stuhl und Urin untersuchen, um ein abschließendes Urteil fällen zu können, aber ich tippe auf eine initiale Sepsis.«
    »Und das bedeutet?«
    »Bakterien im Blut. Könnte sich zu einer gefährlichen Bakteriämie entwickeln. Um kein Risiko einzugehen, werde ich Ihnen vorsorglich ein Breitspektrumpenicillin verabreichen. Sobald meine Vermutung bestätigt ist und ich die Art des Erregers ermittelt habe, bekommen Sie einen optimal darauf abgestimmten Wirkstoff. Notfalls lasse ich Sie in ein Krankenhaus ausfliegen.«
    »Ist es so schlimm?«
    »Über die Virulenz der Keime kann ich noch nichts sagen, obschon mich ein wenig das Tempo beunruhigt, mit dem die Symptome bei Ihnen aufgetreten sind. Sie sollten sich unbedingt schonen und vorerst unter Quarantäne bleiben. Der Dschungel hält vielerlei Überraschungen für uns parat, nicht nur angenehme.«
    »Wenn es denn nur irgendein hiesiger Erreger wäre! Dann müssten wir wenigstens nicht um die Silbernen fürchten. Sollte irgendein Soldat die Krankheit eingeschleppt haben…« Sie schüttelte verzweifelt den Kopf.
    »Darf ich stören?« Learys Stimme drang von außen ins Zelt. Lytton trat einen Schritt beiseite, damit Yeremi von ihrer Pritsche durch den Eingang hinausblicken konnte.
    »Bleibe lieber draußen, Al, wenn du dich nicht anstecken willst. Was gibt’s denn?«
    Der Psychologe reckte den Kopf ins Zelt, weiter hinein traute er sich nicht. Sein Gesicht war ernst. Sehr ernst. »Eben ist Hoogeven zu mir gekommen und sagte, sein Posten vom Höhleneingang habe ihm vor etwa einer halben Stunde eine beunruhigende Botschaft gebracht. Der Colonel ist sofort hinaufgestiegen, um sich die Sache selbst anzusehen.«
    Ein kalter Schauer lief über Yeremis Rücken. »Was für eine Sache?«
    »Ich spreche von einer Leiche.«
    »Etwa jemand von den Silbernen?«
    »Ja.«
    »O nein! Ist es Saraf…?«
    »Es handelt sich um eine Frau. Ich selbst habe sie noch nicht gesehen.«
    »Was ist passiert?«
    »Sie muss krank gewesen sein. Wie der Posten berichtete, hatte sie sich mit letzter Kraft zum Höhlenausgang geschleppt und ist dort zusammengebrochen. Bevor sie das Bewusstsein verlor, stammelte sie noch eine arawakische Botschaft. Der Soldat hat nur ihr letztes Wort verstanden, weil sie es in Englisch aussprach: Hilfe!«
    Yeremi fuhr von ihrer Liege hoch. Ihr war schwindelig. Obwohl ein Schüttelfrost ihren Körper erbeben ließ, schwankte sie auf Leary zu. Der Arzt sprang auf, um sie zu stützen. Ihr Puls raste. »Das ist einer der englischen Begriffe, die Saraf gleich zu Anfang von uns gelernt hat!«
    »Second Lieutenant Benmer hat Colonel Hoogeven mit aufs Plateau begleitet und konnte aus der Erinnerung des verstörten Postens noch einige wenige Brocken der Botschaft herauslesen. Klang ziemlich wirr. Die Silberfrau hat in ihrem Todeskampf ›gelbe Geister‹ erwähnt und von Saraf Argyr gesprochen, der sie zu dir geschickt habe, um Hilfe zu holen.«
    »Zu mir?«, hauchte Yeremi. Erneut wurde ihr Körper von einem Frösteln geschüttelt. »Und sonst hat die Silberfrau nichts gesagt?«
    »Nein. Jedenfalls war das alles, woran sich der Posten noch erinnern konnte.«
    »Hoogeven muss sofort eine Sanitätseinheit in die Höhlen schicken.«
    »Lieutenant-Commander Leary, Sir!«
    Der Psychologe zog seinen Kopf aus dem Zelt, als er jemanden seinen Namen rufen hörte. Yeremi sah, wie sich ein Soldat ihrem Zelt näherte, offenbar mit einer wichtigen Nachricht. Sie wartete nicht, bis die Ordonnanz ihre Botschaft übermittelt hatte, sondern wandte sich Lytton zu.
    »Percey, Sie vermuten bei mir einen bakteriellen Infekt. Sollte ich denselben Erreger erwischt haben wie die Verstorbene, könnte dem Silbernen Volk dann nicht ein Antibiotikum helfen?«
    »Das ist mir alles zu vage, Yeremi…«
    »Es geht hier um Menschenleben, Percey. Können Antibiotika den Silbernen helfen oder

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