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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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südamerikanischen Variante des Ebola- oder Lassa-Virus, die bisher nur in Afrika vorkamen, wurde in Betracht gezogen.
    Lytton wies vergeblich darauf hin, dass alle Anzeichen auf eine Sepsis deuteten, also auf eine Vergiftung des Blutes durch Bakterien. Seit er Yeremi mit Penicillin behandelte, ging es ihr deutlich besser. Zumindest körperlich. Ihre Psyche litt nach wie vor unter dem furchtbaren Verdacht, das Silberne Volk angesteckt und damit ausgerottet zu haben. Admas anklagender Blick und Saraf Argyrs aus unergründlicher Ferne um Hilfe rufende Stimme verfolgten sie bis in ihre Träume. Zudem fühlte sie sich in ihrem Quarantänezelt wie in Einzelhaft. Ihr Wissen um die Geschehnisse draußen stammte größtenteils von Irma Block, Abbatissa Hamilton-Longhorne und Dave Clarke, die sie regelmäßig besuchten.
    Einige »Sicherungsmaßnahmen« Colonel Hoogevens spürte sie am eigenen Leibe. Nein, er war wahrhaftig kein Mann, der die Dinge mit Samthandschuhen anfasste. Zunächst hatte er von seinen Leuten die beiden Camps tiefer in den Dschungel verlegen lassen. Auch Yeremi musste umziehen. Sie ahnte Schlimmes, und als sie das Geräusch weiterer Helikopter vernahm, verdichtete sich ihr Verdacht. Aufgeregt verlangte sie nach Al Leary.
    »Was ist da draußen los?«, fragte sie ihn, nachdem er vor ihrer Quarantänestation erschienen war.
    »Hoogeven hat eine ABC-Einheit angefordert.«
    »Wozu? Das Penicillin schlägt bei mir doch an.«
    »Hast du vergessen, wie viele Tote in den Höhlen liegen?«
    »Du bist ein Zyniker, Al Leary, ich denke pausenlos an sie. Aber deshalb dürfen wir die Fakten nicht ignorieren: Weder unter den Soldaten noch den Expeditionsmitgliedern hat es weitere Erkrankungen gegeben.«
    »Leider interessiert das die Bürokraten in Georgetown nicht. Sie haben die Operation Clean Sweep angeordnet.«
    Yeremis Augen schienen auf das Doppelte ihrer Größe anzuwachsen. »Sie wollen ›gründlich aufräumen‹? Sag mir bitte, dass dieses Unternehmen nicht das ist, wofür ich es halte.«
    »Die Höhlen werden vollständig ausgeräuchert. Alle einhunderteinundzwanzig Leichen sollen, sofern sie da nicht ohnehin schon liegen, in die Halle der Begegnungen geschafft werden. Dort sowie an vier weiteren Plätzen des Höhlensystems montiert die Spezialeinheit die Daisy Cutter…«
    »Al, lass bitte diesen Militärjargon und rede Klartext mit mir! Was verbirgt sich hinter diesem ›Gänseblümchenmäher‹?«
    »Eine Bombe. So groß wie ein VW Beetle und fünfzehn tausend Pfund schwer. Deshalb kann sie auch nicht in einem Stück in die Höhlen verbracht werden. Ihr Name stammt aus dem Antiterrorkrieg in Afghanistan. Damit sind unsere Jungs den Taliban zu Leibe gerückt. In Vietnam hieß das Baby noch Commando Vault – ›Gruftkommando‹. Die BLU-82B ist die stärkste konventionelle Waffe, die es gibt, absolut tödlich in einem Radius von ein- bis dreihundert Metern.«
    »Und was hat das Ding mit der Seuche zu tun?«
    »Die Daisy Cutter basiert auf einer GSX-Suspension: Ammoniumnitrat, Aluminiumpulver und Polystyrol – billig, aber sehr effektiv! Wenn sie hochgeht, verwandelt sie im näheren Umkreis alles zu Asche. Was dennoch übrig bleibt, muss unweigerlich ersticken, weil die Bombe sämtlichen Sauerstoff verbrennt. Außerdem entsteht eine gigantische Druckwelle.«
    »Jetzt ist mir klar, warum Hoogeven unsere Lager weiter von den Höhlen weg verlegt hat.«
    »Er wartet nur noch den nächsten großen Regen ab, eine Sicherheitsmaßnahme, falls der Wald in Brand gerät. Dann tritt das ›Gruftkommando‹ in Aktion. Das Silberne Volk bekommt eine Feuerbestattung erster Klasse.«
    »Und Saraf Argyr? Seine Leiche wurde nicht gefunden. Was ist, wenn er sich noch irgendwo in den Höhlen versteckt hält?«
    »Warum sollte er das tun?«
    »Weil er uns für den Tod seines Volkes verantwortlich hält.«
    »Du meinst dich.«
    Yeremi wich Learys bohrendem Blick aus. Er kannte sie gut genug, um ihre Gedanken zu erraten.
    »Was geschehen ist, lässt sich nicht rückgängig machen, Jerry. Und falls Saraf Argyr trotzdem noch leben sollte, was ich für ziemlich unwahrscheinlich halte…« Leary zuckte resignierend mit den Schultern. »Hoogeven sagte, sein Tod sei ein vergleichsweise kleiner Preis, wenn dadurch die Ausbreitung einer tödlichen Epidemie verhindert werden könne, die möglicherweise Hunderten oder sogar Tausenden von Menschen den Tod bringen würde. Abgesehen davon – vergiss bitte nicht: Adma wurde von Saraf zu uns

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