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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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»Bist du völlig durchgedreht, Ujara?«, rief eine andere.
    Ryan landete hart auf dem Rücken. Die mordgierige Bestie hing immer noch an ihm. Sie stieß Flüche aus und zappelte wie besessen. Blut spritzte. Endlich konnte er den Hals freimachen und um sein Leben schreien. Erst jetzt bemerkte er einige der Mitstreiter, die ihm zu Hilfe geeilt waren. Garry und Compte hatten sich auf den Attentäter geworfen und versuchten, ihm das Messer zu entringen. Für die Dauer eines Wimpernschlags tauchte vor Ryan ein weiteres Gesicht auf. Dann kam er endlich los. Er rollte sich zur Seite, weg von der Klinge.
    Der Kampf ging schnell zu Ende. Alan Compte entwand dem Angreifer die Waffe. Garry und einige weitere, die sich nun, da die Gefahr gebannt war, zu Rettern berufen fühlten, zerrten Sly auf die Füße.
    »Stellen Sie den Mann unter Arrest!«, rief Ryan erregt in Jones’ Richtung.
    Der Reverend schüttelte traurig den Kopf und sagte: »Du hast mich schwer enttäuscht, Ujara.« Dann wandte er sich an den dritten der herbeigeeilten Retter. »Ken, kümmere dich um ihn.«
    Ryan suchte seinen Körper nach Stich- oder Schnittwunden ab. Hemd und Hose waren voller Blut. Wie sich herausstellte, stammte es von Sly, dessen Hand bei dem Kampf von der eigenen Waffe verletzt worden war. Bis auf ein paar kleinere Kratzer am Hals hatte Ryan den Mordanschlag unbeschadet überstanden.
    »Don Sly!«, rief der Reverend, als handele es sich um einen rituellen Klageruf. Dabei rang er die Hände und schüttelte zutiefst bestürzt das sorgenschwere Haupt. Hiernach drückte er dem Opfer des Anschlages seine Anteilnahme aus. »Es tut mir unendlich Leid, Mr Ryan. Bitte entschuldigen Sie den schrecklichen Zwischenfall. Ich fürchte, dieser unselige Mensch hat in einem Augenblick alles zunichte gemacht, was Sie hier bisher an guten Eindrücken aufgenommen haben.«
    Leo Ryan war ein mit allen Wassern gewaschener Vollblutpolitiker. Er sah schrecklich aus mit all dem Blut auf seiner Kleidung. Der Vorfall würde ihn vermutlich bis in die Träume verfolgen. Nur mit Mühe konnte er ein heftiges Zittern unterdrücken. Aber er schüttelte den Kopf und antwortete: »Machen Sie sich darüber keine Sorgen, Reverend Jones. Ich bin ein Mann, der zu seinem Wort steht.«
    »Mr Ryan«, mischte sich Dwyer leise ein. Die Anwesenheit des stellvertretenden Missionschefs der hiesigen US-Botschaft war während des turbulenten Geschehens nicht weiter aufgefallen. Nun endlich konnte er Versäumtes nachholen. In seinem ungewöhnlich blassen Gesicht lag ein Ausdruck der Festigkeit, als er Ryan mit diplomatischem Geschick über die veränderte Sicherheitslage aufklärte. Zum eigenen Schutz sei es geraten, mit der Gruppe unverzüglich nach Georgetown zurückzukehren. Es schien Dwyer tatsächlich zu gelingen, seine Bedenken vorzutragen, ohne den Reverend zu brüskieren. Zum Teil mochte dieser Erfolg auch auf die Fürsprache der beiden Anwälte von Jim Jones zurückgehen, die mit einem Mal völlig unanwaltliche Vorschläge machten. Ehe das Ansehen des Volkstempels durch einen weiteren, womöglich noch schlimmeren Vorfall beschädigt werde, wollten sie ihren Aufenthalt in Jonestown lieber um einen Tag verlängern und erst am Sonntag in die Hauptstadt zurückfliegen.
    Nachdem sich Ryan hinreichend lang gegen diese geballte Fürsorge angestemmt hatte, gab er nach. Insgeheim war er sogar froh, dieses Dschungelnest endlich verlassen zu können. Als er Jim Jones zum Abschied die Hand schüttelte, konnte er sogar schon wieder lächeln.
    »Vielen Dank für alles, Reverend. Ich habe den Besuch in Jonestown wirklich genossen.«
     
     
    Jerry wischte sich den Regen aus dem Gesicht, damit sie besser beobachten konnte, wie ihre Mutter Dale Sturges umarmte. Die beiden hatten zusammen in der Klinik gearbeitet. Dale verstand sich darauf, kranke Leute durch das Einatmen von Dämpfen wieder gesund zu machen. Irgendwo zwischen den Bananenstauden rief jemand das Wort »Verräter«. Jerry konnte ihn nicht sehen, aber sie würde ihre Mutter nachher fragen, was er gemeint hatte.
    Bevor Dale auf die Ladefläche des Kippers kletterte, schlang Mutter Marcy die Arme um ihn, wie sie es zuvor schon mit allen anderen in der Reihe getan hatte. Miss Tailor stand bereits oben und sah zum wiederholten Mal auf ihre Armbanduhr. »Compte, Garry und Dwyer lassen sich viel Zeit. Unsere Medienmeute wird die Chartermaschine hoffentlich am Boden halten, bis wir in Port Kaituma eintreffen.«
    Fast beschwörend blickten die

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