Der silberne Sinn
Speziellen. Und nun das! Mental Health beschäftigte sich offenbar intensiv mit PSI, der Erforschung und Anwendung paranormaler und okkulter Erscheinungen. Yeremi schauderte. Die Warnungen ihres Großvaters vor den Okkultisten klangen ihr noch in den Ohren. Sie schüttelte benommen den Kopf. Ihr Rachen war ausgetrocknet.
Sogar den Silbermann schienen Accolons Schilderungen zu beunruhigen. »Du solltest dich von diesen Leuten fern halten, Jerry«, sagte er auf Spanisch, ohne den Blick von dem Major zu nehmen. »Sie handeln wider die Natur und bedienen sich dunkler Mächte, um den Fühlsinn zu beherrschen.«
»Was hat er gesagt?«, fragte Accolon.
Yeremi blinzelte verwirrt. »Was? Ach… Er macht sich nur Sorgen um mich.«
»Da tut er recht. Sie könnten in ein Hornissennest stechen, wenn Sie in der Sache weiter ermitteln.«
»Und trotzdem verraten Sie mir diese Geheimnisse?«
»Ja, weil ich hoffe, dass Sie Ihren Weg erfolgreich zu Ende gehen. Aber sollten Sie scheitern, wollte ich Sie wenigstens gewarnt haben.«
»Danke. Das ist sehr rücksichtsvoll von Ihnen, aber wir sind schon zu weit gegangen, um noch umzukehren. Haben Sie schon einmal den Namen Iceberg gehört?«
»Sam Iceberg, meinen Sie?« Accolons schweres Haupt nickte bedächtig. »Offenbar sind Sie schon weiter in den Sumpf eingedrungen, als ich Ihnen zugetraut hätte. Iceberg ist gefährlich. Halten Sie sich von ihm fern.«
»Den Rat würde ich gerne befolgen, wenn ich wüsste, wer er ist.«
»Wir hatten mal miteinander zu tun; muss ungefähr 1981 gewesen sein, vielleicht auch ‘82. Ich gehörte zur Army, Iceberg zum CIA. Ob es eine Koordination unserer Programme gab, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, aber einiges weist darauf hin. Es heißt, Iceberg habe es sich zur Aufgabe gesetzt, Menschen nach Belieben zu programmieren. Er experimentierte mit neuartigen Drogen. Mit meiner PSI-Einheit gab es Kontakte, weil er händeringend nach paranormal disponierten Personen gesucht hatte.«
Yeremis Mund wurde immer trockener. »Und? Konnten Sie ihm helfen?«
»Anfangs sah es so aus. INSCOM verfolgte…«
»Wer, bitte?«
»Das Intelligence and Security Command, dem ich unterstellt war. INSCOM gehört zur DIA, der Defense Intelligence Agency… «
»Dem Gegenstück des CIA bei der US-Army?«
»Vereinfacht könnte man es so ausdrücken. Der Schwerpunkt meiner Gruppe lag jedenfalls auf remote viewing, also Fernwahrnehmung und Hellsehen zum Zwecke geheimdienstlicher Aufklärung. Wir hatten da ein paar wirklich begabte Leute, von denen wir zwei an Iceberg ausgeliehen haben, weil er sie für empathische Telepathen hielt. Später sagte er, wir verfolgten den falschen Ansatz, und hat sich von uns abgenabelt.«
»Kennen Sie Iceberg persönlich?«
»Ich habe nur ein einziges Mal mit ihm telefoniert – Anfang der Achtziger, wie ich bereits sagte –, bin ihm aber nie begegnet. Seine Stimme klang warm und tief, durchaus sympathisch, sie besaß allerdings eine enorme suggestive Kraft. Ich hatte den Eindruck, der Mann wusste, was er wollte und wie er es bekommen konnte.«
»Gibt es einen Weg, mit Iceberg Kontakt aufzunehmen?«
Accolons Gesicht wirkte mit einem Mal wie versteinert. »Das sollten Sie jemand anderen fragen, aber nicht mich. Ich selbst habe schon viel zu lange meinen Kopf für andere hingehalten und muss jetzt an meine Frau, Kinder und Enkel denken.«
»Natürlich. Das kann ich gut verstehen.«
»Wenn Sie noch etwas von mir wissen wollen, Mrs Bellman, dann fragen Sie jetzt – eine zweite Chance gibt es nicht.«
Yeremi holte tief Luft. »Sie haben vorhin über die instabile Lage in Russland gesprochen. Wo genau ist da die Verbindung zu den PSI-Projekten der US-Army oder den Schwesterprogrammen beim CIA?«
»Die Vereinigten Staaten verfolgen Moskaus Aktivitäten auf den Gebieten der Gedankenkontrolle und der parapsychologischen Forschung schon seit den Anfangsjahren der Sowjetunion. Der in der Presse bekannt gewordene Psychiatrie-Missbrauch unter dem kommunistischen Regime ist nur die Spitze des Eisbergs.«
»Ich habe davon gelesen. Angeblich hat man unliebsame Dissidenten in Nervenkliniken gesperrt, um ihre Psyche zu zerstören.«
Accolon nickte. »Es ist bis heute in Russland ein Tabuthema, das auch die gegenwärtige Regierung, so man noch von einer sprechen kann, am liebsten totschweigt. Mir liegt jedoch ein Dossier über das Serbskij Institut für Rechtspsychiatrie in Moskau vor, in das unseren Ermittlungen zufolge etwa
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