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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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nicht bekommen! Der Reichstagsbrand von 1933, der kollektive Selbstmord Hunderter im Jahr 1978 – und nun das!
    Ihr kamen die Milzbrandanschläge nach den Terrorattacken vom 11. September 2001 wieder in den Sinn, der verschwundene Mikrobiologe, die Spur der gentechnisch veränderten Mikroben, die schließlich bis in Flatstones Labors führte… Allmählich glaubte Yeremi, in all diesen Vorfällen so etwas wie eine gemeinsame Handschrift zu erkennen. Jonestown 1978 und New York 2001 zeigten das gleiche Schema der Beeinflussung von Selbstmördern. Hier wie da war auf ganz ähnliche Weise die Todessehnsucht geweckt worden. Hatte man die Suizidenten durch empathische Telepathie zu ihrer Tat angeregt?
    Aufgeregt sprang Yeremi vom Bett auf und begann im Hotelzimmer hin und her zu laufen. Sie konnte kaum noch klar denken – erst das Verschwinden Sarafs und nun diese unglaubliche Geschichte! Einige Sekunden lang blickte sie aus dem Fenster auf die New Montgomery Street hinab. Aber das verschaffte ihr auch keine Erleichterung. Deshalb schaltete sie den Fernseher ein.
    Die Neun-Uhr-Nachrichten hatten gerade begonnen. Auf fast allen Kanälen wurde über die unerwartete Entdeckung sowie das ebenso überraschende Verschwinden des »Silbernen Mannes« berichtet. Yeremi setzte sich mit untergeschlagenen Beinen aufs Bett und zappte mit der Fernbedienung von einem Sender zum nächsten. Die Bilder glichen sich: Ein Heer so genannter Experten spekulierte darüber, ob die Präsentation des empathischen Telepathen nun ein besonders ausgefallener Werbegag des für solche Aktionen berüchtigten Berkeley-Professors McFarell war oder ob das hellhäutige Urwaldvolk tatsächlich neben den bekannten fünf Sinnen auch einen »Silbernen« besaß. Und dann kippte die Berichterstattung.
    Der Moderator bei ABC bekam für ein oder zwei Sekunden einen abwesenden Blick – offenbar lauschte er einer überraschenden Anweisung aus seinem Ohrstöpsel –, ließ die Experten Experten sein und begann über Professor Bellman zu berichten.
    Yeremi fiel die Kinnlade herab. Der Nachrichtenmoderator behauptete, ohne rot zu werden, sie habe das ganze Spektakel zu verantworten. Der Silbermann sei von ihr versteckt worden. Außerdem stehe sie unter Verdacht, einen Museumsraub begangen zu haben. Darüber hinaus werde in einem Entführungsfall mit Todesfolge gegen sie ermittelt. Auf den anderen Sendern wurde ähnlicher Schwachsinn über sie verbreitet.
    »Al Leary!«, hauchte Yeremi. Er hatte seine Drohungen also wahr gemacht. Wie auf Bestellung klingelte einige Minuten später ihr Handy. Als sie abhob, meldete sich die Stimme des Psychologen.
    »Heute schon Nachrichten geguckt?«
    »Du bist ein verdammter Lügner!«, fauchte sie.
    »Ich kann mich nicht erinnern, etwas Unwahres gesagt zu haben.«
    »Damit kommst du nicht durch.«
    »Wen interessiert das schon? Du hast die Öffentlichkeit ins Spiel gebracht, jetzt schlagen wir dich mit deinen eigenen Waffen. Nach dieser Kampagne wird man dich an keiner Universität der Welt mehr beschäftigen, nicht mal als Putzfrau. Jeff Flatstone ist allerdings bereit, dich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu rehabilitieren.«
    »Du bist verrückt! Ich habe nichts getan!«
    »Und die Quipus?«
    Yeremi schwieg. Vielleicht zeichnete der Kerl das Gespräch ja auf.
    »Folgender Vorschlag«, führte Leary schließlich das Gespräch fort. »Du bringst Saraf Argyr nach Berkeley. Er unterschreibt die Einverständniserklärung, die uns dazu berechtigt, einige medizinische und psychologische Tests mit ihm durchzuführen. Meinetwegen kannst du ihm dabei das Händchen halten. Was sagst du dazu?«
    »Du bist ein A… ein abgefeimter Opportunist. Was zahlt dir Flatstone für deine Speichelleckerei?«
    »Ist das ein Nein?«
    »Ich weiß nicht, wo Saraf ist!«
    »Diese Antwort ist nicht richtig«, sagte Leary wie ein überdrehter Quizmaster. »Ich melde mich morgen wieder.« Nach dieser Ankündigung unterbrach er die Verbindung.
    Am liebsten hätte Yeremi das Handy gegen die Wand geworfen und einige derbe Flüche ausgestoßen, aber sie hielt sich zurück. Der Silberne Sinn gedeiht in einem überhitzten oder unterkühlten Umfeld nicht besonders gut. Sie hatte die Lektion nicht vergessen. Zum x-ten Mal wählte sie Sarafs Nummer. Sein Handy war eingeschaltet. Es klingelte. Aber er nahm nicht ab.
    Yeremi wurde am Morgen durch das Hoteltelefon geweckt. Als sie abnahm, war ein Reporter von CNN am Apparat. Er bat um eine Stellungnahme zu

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