Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
dich meinetwegen?«, fragte Fi. »Das musst du nicht. Du hattest Recht. Ich bin hier gut aufgehoben.«
»Das ist es nicht.« Nikk seufzte. »Ich sehe vielmehr auch auf mein Volk unheilvolle Zeiten zukommen.«
»Warum?«
»Weil unser Leben nicht mehr so sein wird, wie es einmal war. Zu viele haben heute miterlebt, was geschieht, wenn der Dreizack der Wogen in falsche Hände gerät.« Nikk sah zu den feiernden Matrosen hinüber. »Die Männer werden darüber reden. Nicht einmal Koggs und Bilger werden sie davon abhalten können. Das Gerücht wird die Runde machen und eines Tages wird das kostbarste Geheimnis meines Volkes auch an Morgoyas Ohren dringen. Die heutigen Ereignisse haben alles verändert.«
Entgeistert starrte Fi den Meermann an. Sie wollte ihm widersprechen, doch sie konnte es nicht. Nikk küsste ihre Hand. »Also, viel Glück, liebe Fi. Das ist mein Abschiedsgeschenk.« Er drückte ihr sein Jagdmesser mit dem delfinförmigen Perlmuttgriff in die Hand. »Ich habe es einst von meinem Vater Aqualonius bekommen und jetzt soll es dir gehören. Möge es dich an unsere gemeinsame Zeit erinnern. Und in sieben Jahren, das hoffe ich sehr, sehen wir uns wieder.« Nikk wandte sich zum Gehen, doch Fi hielt ihn zurück. »Warte Nikk!« Aufgewühlt sah sie zu Koggs’ Männern und dann zu Bilgers Schiff hinüber. »Ich glaube, ich kann etwas dagegen tun.«
»Wogegen?«
»Dass sich die Sache mit dem Dreizack herumspricht.« Sie zog den Glyndlamir unter dem Hemd hervor. »Du weißt, wovon ich spreche.«
Nikk sah ungläubig zu ihr auf. »Du willst doch nicht etwa versuchen ihnen allen die Erinnerung an das Geschehene aus dem Gedächtnis zu löschen?«
»Warum nicht?« Fi schluckte. »Allerdings könnte dasselbe wie beim letzten Mal geschehen. Ich kann nur hoffen, dass ich es diesmal besser mache.«
»Fi, du weißt doch gar nicht, was dann passiert. Die Magie dieses Amuletts ist völlig unberechenbar.«
»Bitte, Nikk. Lass es mich tun. Morgoya besitzt Mittel und Wege, alles aus einem herauszupressen, was sie wissen will. Und davon nehme ich mich auch selbst nicht aus. Ich muss diese Gefahr im Keim ersticken.«
Nikk betrachtete sie immer noch mit einem Ausdruck aus Unglaube und Dankbarkeit. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Er küsste noch einmal ihre Hand. »Aber eines verspreche ich dir: Dies ist kein Abschied für immer.« Nikk sah sie ein letztes Mal an, lächelte und kletterte zurück ins Meer. Er winkte ihr zu, dann tauchte er mit den Meernymphen ab.
Mit tränenverschleiertem Blick griff Fi nach dem Glyndlamir an ihrem Hals. Dann schloss sie die Augen. »Traumlicht«, flüsterte sie, »lass nicht zu, dass dem Meervolk etwas geschieht!« Der Glyndlamir erstrahlte silberhell. Das Licht breitete sich wellenförmig aus und legte sich über Meer und Schiffe. Fi dachte an den Dreizack. An den Dreizack und das Meervolk. Doch ihre Sorge galt vor allem dem Meervolk.
Als Fi die Augen öffnete, kam es ihr vor, als wäre sie aus einem Traum erwacht. Es war ein sonderbares Gefühl, als hätte sie im Stehen geschlafen. Hinter ihr war der Lärm der Matrosen zu hören und sie sah, wie sich eine Gestalt mit Holzbein näherte. Koggs hielt eine Flasche Schnaps in der Hand. »Was machst du hier ganz allein?« Er starrte über die Bordwand. »Du stehst da, als würdest du nach Nixen Ausschau halten.« Er lachte. »Die gibt es hier übrigens tatsächlich. Es ist wirklich schade, dass Mort Eisenhand sie in Jada’Maar mit seinem Überfall vertrieben hat. Aber der ist Geschichte und in sieben Jahren darfst du mich gern wieder in die alte Elfenstadt begleiten. Wenn wir dann noch leben.«
Der Klabauter zwinkerte. »Und jetzt komm rüber zu uns und feiere mit. Du gehörst immerhin zur Mannschaft.« Koggs nickte ihr aufmunternd zu und lief zurück zum Hauptdeck, wo die Seeleute und Zauberer den Sieg über Mort Eisenhand und den Hexenmeister feierten, dessen versteinerter Leib noch immer auf dem Vorderkastell stand.
Fi folgte dem Klabauter und bemerkte plötzlich, dass sie ein prachtvolles Jagdmesser in den Händen hielt. Der Griff bestand aus Perlmutt und war einem Delfin nachempfunden. Es war wunderschön. Von wem hatte sie das Messer nur?
Fi steckte es kopfschüttelnd in ihren Gürtel.
Sie konnte sich einfach nicht erinnern.
Vorboten der Nacht
S chön, dich wiederzusehen, Fi. Du hast dich in den letzten Monaten etwas rargemacht!«, rief Eulertin Fi zu, die ihm mit einem Rucksack über der Schulter auf dem
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