Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
überwucherten Elbweg entgegenkam.
»Tut mir leid, Magister Eulertin, aber ich musste eine Weile meiner eigenen Wege gehen.« Koggs hatte ihr zwar gesagt, dass der Magier sie mit einer wichtigen Aufgabe betrauen wollte, aber sie war trotzdem erstaunt, als sie vor sich auf der Wegkreuzung ausgerechnet Tandarins alten Gauklerwagen erblickte. Er stand im Schatten einer Linde. Die Pferde schnaubten und die bunten Fratzen an den Außenwänden des Gefährts hatten sogar einen neuen Anstrich erhalten. Bunt lachten sie im Licht der Sonne um die Wette.
Es war überhaupt ein schöner Tag, wie er eher selten vorkam. Vom Elbstrom her wehte ein lauer Wind heran und nur wenige Meilen entfernt zeichnete sich das Häusermeer Hammaburgs unter einem strahlend blauen Himmel ab. Magister Eulertin schwebte auf einem Eichenblatt heran und lächelte.
»Umso mehr freue ich mich, dass du gekommen bist. Unser Kampf mit dem Hexenmeister liegt jetzt ein Jahr zurück. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir uns noch einmal bei der Bestattung des Puppenmachers und bei den Feierlichkeiten zu meiner Ernennung zum Zunftmeister der Wahrsager und Windmacher Hammaburgs gesehen. Danach warst du plötzlich verschwunden. Viele Monate lang.«
»Das ist wahr.« Fi seufzte. Sie hatten Tandarins entstellten Leichnam im verwilderten Herrengarten über dem Schmugglerviertel beerdigt. Fi hoffte immer noch sehr, dass seine Seele ins Licht gefunden hatte. Seit die Wettermagier ihr Gewerbe wieder in der Stadt ausüben durften, hatte sie den Hügel für sich in Beschlag genommen. Dort hatte sie Ruhe gefunden, ihren Gedanken nachgehangen und sich ungestört mit dem Glyndlamir beschäftigt. Doch die Nähe zu Tandarins Grab hatte sie irgendwann dazu gebracht, ihre Zelte in Hammaburg abzubrechen und in die Welt hinauszuziehen, in der Hoffnung, so dem Ziel ihrer geheimen Mission näher zu kommen.
»Darf ich fragen, wo du warst?« Eulertin lächelte und konnte seine Neugier kaum verbergen.
Fi erwiderte sein Lächeln, doch es fiel traurig aus. »Ich habe versucht, Angehörige meines Volkes zu finden.«
»Und?«
»Wenn hier auf dem Kontinent noch Elfen außerhalb der Wälder im Westen leben, halten sie sich gut verborgen. Und in die Wälder selbst konnte ich leider nicht vordringen.«
Eulertin nickte mitfühlend. »Du kannst dennoch gewiss sein, dass es noch einige Elfen gibt, die in den Reichen der Menschen die Stellung halten.«
»Wirklich?« Fi sah den Däumling hoffnungsvoll an.
»Ja, denn ich bin einst auf sie gestoßen.« Er lachte. »Sie halten sich wirklich gut verborgen. Sie dienen Elfenkönig Avalaion als Kundschafter in unserem Teil der Welt.«
Fi sah Magister Eulertin aufgeregt an. »Ihr wisst, wie man mit Avalaion in Verbindung treten kann?«
»War das dein Ziel?«
Fi schwieg.
»Sind dir auf deiner Reise Einhörner begegnet?«, hakte der Däumling nach.
»Ja, das sind sie«, erwiderte Fi zögernd.
»Dann ist der Elfenkönig schon längst auf dich aufmerksam geworden.«
Fi starrte den Däumling entgeistert an. War Eulertin tatsächlich vergönnt gewesen, was nicht einmal ihr als Elfe Albions gelungen war? Wenn Eulertin die Wahrheit sagte, war ihre Suche vielleicht doch nicht vergebens. Abermals fragte sie sich, welche Geheimnisse den kleinen Magier umgaben. Wäre es nicht vielleicht doch ratsam, ihn in ihre eigenen einzuweihen? Fi seufzte. Das würde sie nicht heute entscheiden. Stattdessen wechselte sie das Thema. »Koggs sagte mir, dass auch Ihr sehr beschäftigt gewesen seid.« Sie fasste den alten Gauklerwagen ins Auge. Der Däumling hatte ihn doch sicher nicht ohne Grund herschaffen lassen. »Er meinte, Ihr hättet Euer neues Amt nur angetreten, um in Ruhe die Hinterlassenschaft Finsterkrähes zu sichten.«
»Das stimmt zumindest teilweise.« Der kleine Magister strich sich über den Backenbart. »Hinzu kommt, dass ich in Hammaburg nah an der Küste bin. Du weißt ja selbst, wer jenseits des Nordmeers sein Unwesen treibt. Eines Tages wird Morgoya wieder zuschlagen. Und dann möchte ich möglichst nah am Geschehen sein.«
»Habt Ihr denn in den Hinterlassenschaften des Hexenmeisters etwas gefunden, was uns nützt?«
»Ja, da gibt es einiges«, erwiderte Eulertin ausweichend. »Morbus Finsterkrähe war ohne Zweifel einer der wichtigsten Agenten Morgoyas hier auf dem Kontinent. Ich befürchte fast, dass er Hammaburg nicht bloß in die Knie zwingen sollte, sondern in Morgoyas Auftrag noch andere finstere Forschungen vorantrieb. Ich vermag
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