Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
Flaute? Lahm und scheinbar kraftlos langte von dort ein Schemen mit Triefaugen nach dem Nordwind, der sich mit Macht in Richtung Schiff warf. Doch er kam nicht weit. Von allen Seiten fielen jetzt auch die übrigen Winde über ihn her und klammerten sich an ihm fest.
Über dem Hauptmast war nun Möwengeschrei zu hören. Kriwa stob zu Koggs hinab. Offenbar überbrachte sie ihm Weisungen des kleinen Magiers, denn er hörte ihr aufmerksam zu und nickte. Der Däumling selbst befand sich noch immer am Himmel. Fi entdeckte Tandarins Narrenstab, der über ihren Köpfen schwebte. Der kleine Magister ritt den Stab des Puppenmachers wie eine Hexe ihren Besen. Plötzlich flammte ein blaues Blitzlichtgewitter auf, dessen Lichtbogen weit über die See zuckten und prasselnd am Heck des Fliegenden Albioners einschlugen. Der Angriff des Däumlings wurde von einem Fächer aus Flammenlanzen beantwortet, die vom Geisterschiff aufstiegen. Eulertin und Finsterkrähe lieferten sich jetzt einen erbitterten Zweikampf, während es Fi, Magister Chrysopras und den Geschützmannschaften nur noch unter Mühen gelang, die wutschnaubende Hydra abzuwehren. Magistra Wogendamm torkelte mit dampfenden Kleidern an die Reling und versuchte ihre Kollegen nach besten Kräften zu unterstützen.
»Wir haben keine Windphiolen mehr!«, rief Bootsmann Rob ihnen zu. Noch tobte der Kampf zwischen dem Fliegenden Albioner und Bilgers Seefalken. Aber wie lange noch? Fi wusste, dass sie sich etwas einfallen lassen mussten.
In diesem Augenblick sah sie Nikk unter sich im Meer. Ihm folgten fast ein Dutzend Meernymphen. Mit dem Mut der Verzweiflung schwärmten sie gegen die Hydra aus. Doch Fi ahnte, dass der Angriff in einem fürchterlichen Gemetzel enden würde. So wie unten im Palastgemach, als sie das Mosaik mit Elfenkönig Avalaion und Nikks Ururgroßvater Poseleion betrachtet hatte, wurde der Glyndlamir mit einem Mal warm. Natürlich! Plötzlich wusste Fi, was zu tun war. »Magistra Wogendamm, schafft mir Prinz Nikkoleus her. Schnell!«
Die Wettermagierin sah sie irritiert an, doch sie wob ohne ein Wort einen Zauber, der eine Welle heraufbeschwor. Nikk wurde jäh aus dem Wasser gehoben und gegen seinen Willen zum Schiff getragen. Die überraschten Nixen brachen den Angriff ab, während Fi zur Reling rannte.
Der Meermann warf ihr einen aufgebrachten Blick zu. »Was soll das, Fi? Ich bin vielleicht der Einzige, der die Hydra besiegen kann!«
»Aber nicht so, Nikk.« Hastig kramte sie den Glyndlamir hervor und hob ihn in die Höhe. »Der Dreizack wird dir so lange den Dienst verweigern, bis du den Schwur geleistet hast. Verstehst du?«
»Nein, ich verstehe nicht.«
»Hast du in Rüstringen nicht selbst von einem Übergabezeremoniell gesprochen, bei dem der alte Herrscher dem Thronfolger den Eid abnimmt, treu und ergeben über das Reich unter den Wogen zu wachen?« Nikks Blick verriet, dass er allmählich begriff, was Fi meinte. »Du hast den Eid bis jetzt nicht geleistet. Ebenso wenig, wie ihn dein Vater damals leisten konnte, als dein Großvater einem Unfall anheimfiel. Verstehst du jetzt, warum Aqualonius die Elfen im Sonnenrat Albions aufsuchte? Mein Volk hütete den Glyndlamir, den Schwurstein. Er musste den Eid erneut auf ihn ablegen.«
»Beim Blau des Meeres, natürlich!«
Fi besann sich auf Nikks Worte aus Jada’Maar. »Also, schwörst du beim Unendlichen Licht, bei der Macht der Träume und bei der Königsehre, dass du weiterhin Buße tust und das Meer frei von allen Einflüssen der Schatten hältst?«
»Ich schwöre es bei meinem Leben!«, antwortete Nikk feierlich. Das Mondeisenamulett erstrahlte in silberhellem Licht. Ein singender Laut, als würde ein Glas von einer Stimmgabel angeschlagen, schwebte über dem Wasser und das Licht glitt hinüber zum Dreizack der Wogen, der jetzt wie aus Mondlicht geschmiedet wirkte. Nikk wirbelte zu der Hydra herum, die sich abermals aufbäumte. »Halte ein!«, rief er. Der Dreizack erstrahlte ebenfalls und die Drachenhäupter starrten gebannt auf das Licht. Nikk konnte sein Glück kaum fassen. Magistra Wogendamm ließ ihn wieder zurück ins Wasser gleiten und sah Fi bewundernd an. »Und jetzt das verdammte Geisterschiff!«, zischte sie.
Während die sechs Winde heulend und tobend miteinander rangen, hielt Magister Eulertin mit seiner verstärkten Zaubermacht den Hexenmeister in Schach. Koggs nutzte derweil die Gelegenheit, sein demoliertes Schiff näher an den Fliegenden Albioner heranzusteuern. »Bereit
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