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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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übernimmt. Der Haken ist bloß, dass man einem nicht bloß einmal das Leben retten kann. Die Leute müssen mich immer wieder retten. Genau wie im wirklichen Leben gibt es nie ein Happyend.
    Im Medizinstudium lernt man das Gleiche: Man kann einen Menschen nur so und so oft retten, dann ist Schluss. Das Peter-Prinzip der Medizin.
    Die Leute, die mir Geld schicken, bezahlen ihr Helde n tum in Raten.
    Ich könnte an marokkanischem Esse n ersticken. Oder si zilianischem. Täglich geöffnet.
    Nach meiner Geburt ist meine Mutter einfach in den Staaten geblieben. Natürlich nicht in diesem Haus. Hierher ist sie erst nach ihrer letzten Entlassung gez o gen, nach der Sache mit dem Schulbus. Autodiebstahl und Entführung. Das Haus und auch die Möbel bergen für mich keine Kindheitserinnerungen. Die Sachen h a ben ihre Eltern aus Italien geschickt. Nehme ich mal an. Vielleicht hat sie das alles aber auch in einer Gameshow gewonnen. Keine Ahnung.
    Nach ihrer Familie, nach meinen Großeltern in Italien habe ich sie nur einziges Mal gefragt.
    Ihre Antwort, das weiß ich noch, ging so:
    » Die wissen nichts von dir, also mach keinen Ärger.«
    Und wenn sie nichts von ihrem unehelichen Kind wi s sen, kann man davon ausgehen, dass sie auch nichts von ihren Vorstrafen wissen: wegen Erregung öffentl i chen Ärgernisses, wegen versuchten Mordes, fahrlä s siger Körperverletzung, Tierquälerei. Man kann davon ausgehen, dass auch sie verrückt sind. Man muss sich nur mal diese Möbel ansehen. Meine Großeltern sind entweder verrückt oder tot.
    Ich schlage die Seiten des Telefonbuchs um.
    Tatsache ist, dass die Unterbringung meiner Mutter im Pflegezentrum St. Anthony ’ s dreitausend Dollar im Monat kostet. Für fünfzig Dollar bekommt man im St. Anthony ’ s bestenfalls einmal die Windel gewechselt.
    Weiß der Himmel, wie viele Tode ich noch fast erleiden muss, bis ich das Geld für den Magenschlauch z u sammenhabe.
    Tatsache ist, dass in dem großen Buch der Helden bis jetzt zwar etwas über dreihundert Namen verzeichnet sind, ich aber immer noch keine dreitausend im Monat kassiere. Und mir wird ja jeden Abend vom Kellner die Rechnung präsentiert. Dazu kommt noch das Trin k geld. Die verdammten laufenden Kosten bringen mich noch um.
    Wie bei jedem guten Pyramidenschema muss erst einmal die untere Reihe ausgefüllt werden. Wie in der Sozialversicherung ist es die Masse guter Menschen, die für irgendeinen anderen bezahlt. Die Kleckerbetr ä ge, die ich von diesen guten Samaritern beziehe, sind bloß mein eigenes soziales Netz.
    »Trickbetrug« ist nicht das richtige Wort, aber das erste, das mir dazu einfällt.
    Die klägliche Wahrheit ist, dass ich mir immer noch jeden Abend aus dem Telefonbuch ein anständiges Restaurant raussuchen muss, in dem ich fast sterben kann.
    Victor Mancinis unendliche Geschichte.
    Das Ganze ist allerdings nicht schlimmer, als es die Regierung treibt. Nur dass sich in Victor Mancinis Wohlfahrtsstaat die Leute, die zur Ader gelassen we r den, nicht beklagen. Sie sind stolz. Sie prahlen sogar vor ihren Freunden damit.
    Das Ganze ist eine Spendensammelaktion, mit mir allein an der Spitze. Und die Kandidaten stehen Schlange, um dabei mitzumachen. Dazu brauchen sie mich nur einmal von hinten zu umarmen. Ich zapfe diese guten, großzügigen Menschen nur ein bisschen an.
    Immerhin gebe ich das Geld ja nicht für Drogen oder Glücksspiele aus. Und ich komme nie dazu, eine Mah l zeit mal richtig zu beenden. Mitten im Hauptgang muss ich jedes Mal mit der Arbeit anfangen. Würgen und zappeln. Manche Menschen rücken trotzdem nie mit der Kohle raus. Manche kommen einfach nicht auf die Idee. Und auf lange Sicht hören auch die Großz ü gigsten eines Tages auf, eine m einen Scheck zu sch i cken.
    Die Sache mit dem Weinen, wenn jemand mich in den Armen hält, das Keuchen und Weinen, das gelingt mir immer besser. Das einzig Schwierige am Weinen ist, dass ich immer schlechter damit aufhören kann.
    Noch nicht im Telefonbuch ausgestrichen sind die Fo n due-Restaurants. Und die Thailänder. Die Griechen. Die Äthiopier. Die Kubaner. Es gibt tausend Lokale, die ich noch nicht zum Sterben aufgesucht habe.
    Um den Geldfluss zu steigern, musst du jeden Abend zwei bis drei neue Helden schaffen. Manchmal musst du drei oder vier Restaurants besuchen, bis du eine vollständige Mahlzeit zu dir genommen hast.
    Ich bin ein Performancekünstler, ich mache Esstheater und gebe drei Vorstellungen pro Abend. Meine Damen und Herren, ich

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