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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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geraten viel zu groß. Er lässt ihren Spliss verschwinden. Er macht alles falsch.
    »Mann«, sage ich. »Du bist wirklich kein großer Küns t ler.«
    Ich sage: »Ehrlich, Mann, ich sehe das völlig anders.«
    Denny sagt: »Bevor man die ganze Welt in Stücke schlägt, sollte man unbedingt seinen Sponsor anr u fen.« Er sagt: »Und falls es dich überhaupt noch int e ressiert, deine Mutter hat gesagt, du sollst lesen, was in ihrem Wörterbuch steht.«
    Zu Cherry, die immer noch vor uns hockt, sage ich: »Wenn dir dein Leben lieb ist, werde ich irgendwo u n ter vier Augen mit dir reden müssen.«
    »Nein, nicht Wörterbuch«, sagt Denny. »Tagebuch. Wenn du wissen willst, wo du wirklich herkommst, sollst du ihr Tagebuch lesen.«
    Und Cherry schwingt ein Bein über den Bühnenrand und klettert runter.
    Ich frage ihn: Was schreibt meine Mutter denn in i h rem Tagebuch?
    Und Denny mit seinen kleinen Skizzen, auf denen nicht vorhandene Dinge zu sehen sind, er sagt: »Ja, Tagebuch. Nicht Wörterbuch, Mann. Wer dein wirkl i cher Vater war, das steht in ihrem Tagebuch.«

17
    Im St. Anthony ’ s gähnt die Empfangsschwester hinter vorgehaltener Hand, und als ich frage, ob sie nicht vielleicht eine Tasse Kaffee trinken möchte, sieht sie mich von der Seite an und sagt: »Mit Ihnen nicht.«
    Aber ich will ja auch gar nichts von ihr. Ich will nur hier für sie aufpassen, damit sie sich einen Kaffee h o len kann. Das ist keine Anmache.
    Ehrlich.
    Ich sage: »Ihre Augen sehen müde aus.«
    Sie hat den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als Leute rein-und rauszulassen. Und sie beobachtet den Bildschirm, der das Innere des St. Anthony ’ s zeigt, die Korridore, den Tagesraum, den Speisesaal, den Ga r ten; das Bild wechselt alle zehn Sekunden. Es ist schwarz-weiß und körnig. Auf dem Monitor ist für zehn Sekunden der Speisesaal zu sehen, menschenleer, die Stühle umgedreht auf den Tischen, die verchromten Beine ragen in die Luft. Dann sieht man zehn Seku n den lang einen Korridor, wo jemand zusammengesu n ken auf einer Bank sitzt.
    Und dann, verschwommen und schwarz-weiß, zehn Sekunden lang Paige Marshall, die meine Mutter im Rollstuhl durch irgendeinen anderen langen Korridor schiebt.
    Die Empfangsschwester sagt: »Ich gehe aber nur ganz kurz weg.«
    Neben dem Bildschirm steht ein altmodischer Lau t sprecher. Sieht aus wie die Radios früher, bespannt mit grobem Sofastoff; ein Drehknopf mit Zahlen drum herum. Jede Zahl steht für einen Raum im St. Anthony ’ s. Daneben ein Mikrofon, mit dem man Durchsagen machen kann. Man braucht den Knopf nur auf eine Zahl einzustellen, dann kann man jeden Raum im G e bäude abhören.
    Und plötzlich kommt die Stimme meiner Mutter aus dem Lautsprecher: »Mein Selbstverständnis hat immer nur auf den Dingen beruht, gegen die ich war … «
    Das Mädchen dreht den Knopf auf neun, und jetzt hört man einen spanischen Sender und das Klappern von Kochtöpfen in der Küche, wo es den Kaffee gibt.
    Ich sage: »Lassen Sie sich ruhig Zeit.« Und: »Ich bin nicht das Ungeheuer, als das mich einige der verbi t terten Menschen hier vielleicht dargestellt haben.«
    Aber obwohl ich doch so freundlich bin, verstaut sie ihre Handtasche in einer Schublade und schließt sie ab. Sie sagt: »Ich brauche höchstens ein paar Min u ten. Okay?«
    Okay.
    Und schon ist sie hinter den Sicherheitstüren ve r schwunden. Ich setze mich auf ihren Stuhl und b e obachte den Monitor: der Tagesraum, der Garten, i r gendein Korridor, jedes Mal zehn Sekunden lang. Ich warte auf Paige Marshall. Ich schalte den Knopf von einem Raum zum andern. Lausche nach Dr. Marshall. Nach meiner Mutter. In Schwarz-Weiß, beinahe live.
    Paige Marshall. Wie viel Haut sie mir gezeigt hat.
    Eine weitere Frage aus der Checkliste für Sexsüchtige:
    Schneiden Sie das Innere Ihrer Hosentaschen auf, um in der Öffentlichkeit masturbieren zu können?
    Im Tagesraum beugt sich eine Grauhaarige über ein Puzzle. Aus dem Lautsprecher kommt nur Knistern. Weißes Rauschen.
    Nach zehn Sekunden erscheint das Bastelzimmer, ein Tisch mit alten Frauen. Frauen, denen ich gestanden habe, ich hätte ihre Autos kaputtgefahren, ihr Leben kaputtgemacht. Ich nehme jede Schuld auf mich.
    Ich stelle lauter und lege ein Ohr an die Stoffbespa n nung des Lautsprechers. Da ich nicht weiß, welche Nummer zu welchem Zimmer gehört, drehe ich den Knopf langsam weiter und lausche jedes Mal.
    Mit der anderen Hand fahre ich in das, was mal die Tasche meiner Kniehose war.
    Jemand

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