Der Simulant
Erkrankung.
Allergien.
Medikamente.
Anamnese.
Familiengeschichte.
Alkohol.
Drogen.
Tabak.
Soziales Umfeld.
Ohne Mnemotechnik ist das Medizinstudium nicht zu schaffen.
Die Patientin vor dieser hier, auch eine Blondine, aber mit altmodischen steifen Brustimplantaten von der Sorte, an der man Klimmzüge machen kann, hatte als Teil ihrer Vorführung eine Zigarette geraucht, und d a her musste ich sie fragen, ob sie unter anhaltenden Rücken-oder Bauchschmerzen leide. Ob sie Appeti t verlust oder irgendwelche Allgemeinbeschwerden h a be. Wenn sie damit ihr Geld verdiene, sagte ich, sollte sie sich lieber regelmäßig Abstriche machen lassen.
»Falls du mehr als ein Päckchen am Tag rauchst«, sagte ich. »Auf diese Weise, meine ich.«
Eine Konisation wäre sicher keine schlechte Maßna h me, sagte ich, oder wenigstens eine Ausschabung.
Sie kniet auf allen vieren und lässt den offenen Hi n tern kreisen, ihre gekräuselte rosa Pflaume in Zeitl u pe, sie sieht über die Schulter zu uns hinter und sagt: »Konisation? Was soll denn das sein?«
Sie sagt: »Ist das irgendeine neuen Masche?«, und bläst mir Rauch ins Gesicht.
Falls man das blasen nennen kann.
Da wird eine kegelförmige Probe aus der Zervix g e schnitten, erkläre ich.
Und sie wird blass, das sieht man sogar durch ihre Schminke und durch die Tünche aus rotem und schwarzem Licht, und zieht die Beine wieder zusa m men. Sie löscht die Zigarette in meinem Bier und sagt: »Du hast ja echt Probleme mit Frauen«, und geht zu dem Typ nebenan auf der Bühne.
Ich rufe ihr nach: »Jede Frau ist ein Problem für sich.«
Den Korken in der Hand, nimmt Denny mein Bier und sagt: »Mann, keine Verschwendung … «, und kippt sich das Zeug in sein Glas, alles bis auf die Kippe. Er sagt: »Deine Mutter redet viel von einem gewissen Dr. Marshall. Sie sagt, er habe ihr versprochen, sie wieder jung zu machen«, sagt Denny, »aber nur, wenn du mithilfst.«
Und ich sage: »Sie. Dr. Paige Marshall. Das ist eine Frau.«
Die nächste Patientin kommt, eine krausköpfige Br ü nette, etwa fünfundzwanzig Jahre alt. Verdacht auf Folsäuremangel: Zunge rot und glatt, Unterleib leicht aufgebläht, Augen glasig. Ich frage, ob ich ihr Herz abhören darf. Wegen Herzklopfen. Wegen beschle u nigtem Puls. Ob sie in letzter Zeit an Brechreiz oder Durchfall leide?
»He, Mann«, sagt Denny.
Schmerzen fragt man mit DALDVEBAZ ab: Detaillierte Beschreibung, Ausbruch, Lokalisation, Dauer, Ve r schlimmerung, Besserung, Ausstrahlung und zusätzl i che Symptome. Denny sagt: »He, Mann.«
Von den Bakterien namens Staphylococcus aureus bekommt man STAPHEO: Schleimhautinfektion, tox i sches Schocksyndrom, Abszesse, Pneumonie, Hämol y se, Endokarditis und Osteomyelitis.
»He, Mann«, sagt Denny.
Die Krankheiten, die eine Mutter auf ihr Kind übertr a gen kann, heißen HERTZS: Herpes, Röteln, Toxopla s mose, Zytomegalie-Virus und Sonstige (speziell Syph i lis und HIV). Fragt sich nur, wie man sich alle diese sonderbaren Abkürzungen merken soll.
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.
Denny schnippt mir die Finger ins Gesicht. »Was hast du? Was ist denn mit dir los?«
Ist doch wahr. In dieser Welt leben wir nun einmal. Ich habe immerhin die Zulassungsprüfung zum Med i zinstudium bestanden. Und ich habe lange genug an der USC Medizin studiert, um zu wissen, dass ein L e berfleck niemals bloß einfach ein Leberfleck ist. Dass schlichte Kopfschmerzen auf einen Hirntumor hinwe i sen, einschließlich Doppeltsehen, Taubheit, Erbrechen, gefolgt von Anfällen, Schläfrigkeit und Tod.
Leichtes Muskelzucken bedeutet Tollwut, bedeutet Krämpfe, Durst, Verwirrtheit und Speichelfluss, gefolgt von Anfällen, Koma und Tod. Akne bedeutet Eierstoc k zysten. Leichte Müdigkeit bedeutet Tuberkulose. Blu t unterlaufene Augen bedeuten Meningitis. Schläfrigkeit ist das erste Anzeichen von Typhus. Und diese Schw e beteilchen, die du an sonnigen Tagen vor deinen A u gen herumfliegen siehst, zeigen an, dass sich deine Netzhaut ablöst. Du wirst blind.
»Sieh dir mal ihre Fingernägel an«, sage ich zu Denny. »Eindeutiges Symptom für Lungenkrebs.«
Verwirrtheit bedeutet Niereninsuffizienz, schweres Nierenversagen.
Diese Untersuchungsmethoden lernt man alle im zwe i ten Studienjahr. Und hat man das einmal gelernt, gibt es kein Zurück mehr.
Unwissenheit war tatsächlich Glückseligkeit.
Ein blauer Fleck bedeutet Leberzirrhose. Rülpsen ve r weist auf ein kolorektales Karzinom oder ein Ösoph a
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