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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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mit Kelle und Mörtel eine Reihe auf die andere. Soll wohl eine Mauer werden. »He«, sage ich.
    Und Denny sagt: »Mann.«
    Denny sagt: »Wie geht ’ s deiner Mutter?«
    Ich sage, das sei mir egal.
    Denny streicht mit der Kelle eine Schicht sandigen grauen Matsch auf die oberste Steinreihe. Er fuhrwerkt mit der Stahlspitze der Kelle auf dem Mörtel herum, bis er glatt ist. Dann glättet er mit einem Stock die Stellen zwischen den Steinen, die er bereits gelegt hat.
    Unter einem Apfelbaum in der Nähe sitzt ein Mädchen; es ist Cherry Daiquiri, die aus dem Stripteaselokal. Sie sitzt auf einer Decke, nimmt weiße Schachteln aus einer braunen Papiertüte und sieht nach, was da an Essbarem drin ist.
    Denny legt Steine in den frischen Mörtel.
    »Was baust du da?«, sage ich.
    Denny zuckt mit den Achseln. Er drückt einen braunen Quader tiefer in den Mörtel. Streicht mit der Kelle e t was Mörtel zwischen zwei Steine. Er fügt seine ganze Generation von Babys zu etwas Großem zusammen.
    Ob er nicht erst mal einen Entwurf zeichnen müsste?, frage ich. Brauchst du keinen Plan? Du musst Gene h migungen einholen und Bauprüfungen veranlassen. Du musst Gebühren zahlen. Du musst die Bauvorschriften kennen.
    Und Denny sagt: »Wozu?«
    Er stößt mit dem Fuß ein paar Steine an, sucht sich den besten heraus und fügt ihn ein. Man brauche ke i ne Genehmigung, um ein Bild zu malen, sagt er. Man müsse keinen Plan einreichen, wenn man ein Buch schreiben wolle. Es gebe Bücher, die mehr Schaden anrichteten, als er jemals anrichten könne. Man bra u che seine Gedichte nicht prüfen zu lassen. Es gebe so etwa wie das Recht auf freie Meinungsäußerung.
    Denny sagt: »Man braucht keine Genehmigung, um ein Kind zu bekommen. Warum sollte man also eine Erlaubnis einholen, wenn man ein Haus bauen will?«
    Und ich sage: »Aber wenn das Haus, das man baut, gefährlich oder hässlich ist?«
    Und Denny sagt: »Ja, und wenn das Kind, das man bekommt, ein gemeingefährliches Arschloch wird?«
    Ich halte ihm die Faust vor die Nase und sage: »Ich hoffe, du redest nicht von mir, Mann.«
    Denny sieht zu Cherry Daiquiri rüber, die nicht weit von uns im Gras sitzt, und sagt: »Sie heißt Beth.«
    »Bild dir bloß nicht ein, dass die Stadt deinem Arg u ment mit der freien Meinungsäußerung folgen wird«, sage ich.
    Und ich sage: »Sie ist gar nicht so attraktiv, wie man meinen könnte.«
    Denny wischt sich mit dem Hemdschoß den Schweiß vom Gesicht. Seine Bauchmuskeln sehen aus wie ein Waschbrett. Er sagt: »Du solltest mal bei ihr vorbe i schauen.«
    Ich kann sie auch von hier aus sehen.
    »Nein, ich meine deine Mutter«, sagt er.
    Sie kennt mich nicht mehr. Sie vermisst mich nicht.
    »Nicht ihretwegen«, sagt Denny. »Du musst sie bes u chen, um die Sache für dich zum Abschluss zu bri n gen.«
    Wenn Denny die Muskeln anspannt, flackern Schatten über seine Arme. Die sind jetzt so kräftig, dass sie die Ärmel seines miefigen T-Shirts spannen. Früher dünn und schmächtig, jetzt fest und stark. Die eingesunk e nen Schultern sind breit geworden. Bei jeder neuen Reihe muss er die Steine ein Stück höher heben. Bei jeder neuen Reihe muss er ein Stück stärker sein. Denny sagt: »Willst du mit uns essen? Chinesisch?« Er sagt: »Du siehst ziemlich abgemagert aus.«
    Ich frage ihn, ob er jetzt mit dieser Beth zusamme n lebt.
    Ich frage ihn, ob er sie geschwängert hat oder was.
    Und Denny hebt mit beiden Händen einen dicken grauen Stein in Hüfthöhe und zuckt mit den Achseln. Vor einem Monat hätten wir Schwierigkeiten gehabt, einen solchen Stein zu zweit anzuheben.
    Ich habe den alten Wagen meiner Mutter zum Laufen gebracht, erzähle ich ihm, falls er ihn mal braucht.
    »Geh dir deine Mutter ansehen«, sagt Denny. »Dann komm zurück und hilf mir.«
    Alle im alten Dunsboro lassen ihn grüßen, sage ich.
    Und Denny sagt: »Lüg mich nicht an, Mann. Ich hab ’ s nicht nötig, mich aufmuntern zu lassen.«

35
    Ich höre den Anrufbeantworter meiner Mutter im Schnelldurchlauf ab. Weder diese sanfte Stimme, g e dämpft und verständnisvoll: »Zustand verschlechtert sich … « Und: »Kritisch … « Und: »Mutter … « Und: »Ma ß nahmen … «
    Ich drücke immer wieder den Vorlauf kn o pf.
    Für den heutigen Abend habe ich noch Colleen Moore vorrätig, wer immer das auch war. Und Constance Lloyd, wer immer das auch ist. Und Judy Garland. Und Eva Braun. Alles nur noch zweite Wahl.
    Die Stimme auf dem Anrufbeantworter kommt und geht.
    » …

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