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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Gesicht vor Anstre n gung verkrampft, und sagt: »Fred Hastings.« Sie dreht die Augen zur Seite und sieht Paige lächelnd an. »Tammy«, sagt sie. »Fred und Tammy Hastings.«
    Ihr alter Anwalt und dessen Frau.
    Die Notizen für meine Rolle als Fred Hastings sind alle zu Hause. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich einen Ford oder einen Dodge fahre. Wie viele Kinder ich a n geblich habe. In welcher Farbe wir schließlich das Es s zimmer gestrichen haben. Ich kann mich an keine ei n zige Einzelheit des Lebens erinnern, das ich angeblich führe.
    Paige sitzt immer noch im Sessel. Ich trete an sie he r an, lege ihr eine Hand auf die Schulter und sage: »Wie geht es Ihnen, Mrs. Mancini?«
    Ihre furchtbare grau-grüne Hand hebt sich und w a ckelt hin und her, internationale Zeichensprache für »Es geht so«. Sie lächelt mit geschlossenen Augen und sagt: »Ich hatte gehofft, du wärst Victor.«
    Paige zieht die Schulter unter meiner Hand fort.
    Und ich sage: »Ich dachte, ich wäre Ihnen lieber.«
    Ich sage: »Victor ist nicht besonders beliebt.«
    Meine Mutter zeigt mit den Fingern auf Paige und sagt: »Liebst du ihn?«
    Paige sieht mich an.
    »Ich rede von Fred«, sagt meine Mutter. »Liebst du ihn?«
    Paige klickt auf ihrem Kugelschreiber herum. Ohne mich anzusehen, den Blick fest auf das Klemmbrett in ihrem Schoß gerichtet, sagt sie: »Ja.«
    Und meine Mutter lächelt. Dann zeigt sie auf mich und sagt: »Und? Liebst du sie auch?«
    Ungefähr so, wie ein Stachelschwein sein stinkiges Stöckchen liebt. Falls man das Liebe nennen kann.
    Ungefähr so, wie ein Delfin die glatten Wände seines Schwimmbeckens liebt.
    Und ich sage: »Ich glaub schon.«
    Meine Mutter drückt das Kinn seitlich an den Hals, sieht mich mit ihren Glubschaugen an und sagt: »Fred.«
    Und ich sage: »Okay. Ja.« Ich sage: »Ich liebe sie.«
    Sie lässt die furchtbaren grau-grünen Hände wieder auf den gewölbten Bauch sinken und sagt: »Ihr seid ein glückliches Paar.« Sie schließt die Augen und sagt: »Victor ist ziemlich ungeschickt, sobald es um Liebe geht.«
    Sie sagt: »Meine größte Sorge ist, dass Victor, wenn ich einmal tot bin, auf der ganzen Welt keinen Me n schen mehr haben wird, der ihn liebt.«
    Diese verdammten alten Leute. Diese Ruinen.
    Liebe ist Blödsinn. Gefühle sind Blödsinn. Ich bin ein Stein. Ein Wichser. Ich bin ein gleichgültiges Arsc h loch, und ich bin stolz darauf.
    Was würde Jesus nicht tun?
    Wenn es auf die Entscheidung zwischen nicht geliebt werden und verletzlich und sensibel sein hinausläuft, dann kannst du deine Liebe für dich behalten.
    Ob das, was ich gerade über meine Liebe zu Paige gesagt habe, echt oder gelogen war, weiß ich nicht. Auf jeden Fall war es ein Trick. Immer dieses Weibe r gequatsche. Der Mensch hat keine Seele, und ve r dammte Scheiße, in Tränen ausbrechen ist das Alle r letzte, was ich jetzt tun werde.
    Meine Mutter lässt die Augen zu, ihre Brust hebt und senkt sich in langen tiefen Zügen.
    Einatmen. Ausatmen. Stell dir ein schweres Gewicht auf deinem Körper vor, es drückt dir Kopf und Arme immer tiefer.
    Sie ist eingeschlafen.
    Paige erhebt sich aus dem Sessel, nickt mit dem Kopf in Richtung Tür, und ich folge ihr auf den Flur.
    Sie blickt sich um und sagt: »Willst du in die Kapelle?«
    Eigentlich bin ich nicht in der richtigen Stimmung.
    »Zum Reden«, sagt sie.
    Okay, sage ich. Ich gehe neben ihr her und sage: »Danke für deine Hilfe eben. Dass du gelogen hast, meine ich.«
    Und Paige sagt: »Wer sagt, dass ich gelogen habe?«
    Heißt das, dass sie mich liebt? Ausgeschlossen.
    »Okay«, sagt sie. »Vielleicht habe ich ein bisschen geflunkert. Aber ich mag dich. Etwas.«
    Einatmen. Ausatmen.
    In der Kapelle macht Paige die Tür hinter uns zu und sagt: »Fühl mal.« Sie nimmt meine Hand und hält sie an ihren flachen Bauch. »Ich habe meine Temperatur gemessen. Meine Zeit ist abgelaufen.«
    Schon ballt sich irgendwo in meinen Eingeweiden eine Ladung zusammen, und ich sage: »Ach ja?« Ich sage: »Na, vielleicht bin ich dir da zuvorgekommen.«
    Tanya und ihr Analspielzeug, diese Gummikugeln.
    Paige wendet sich ab und entfernt sich langsam von mir. Ohne mich anzusehen, sagt sie: »Wenn ich nur wüsste, wie ich mit dir darüber reden soll.«
    Die Sonne scheint durch das bunte Fenster, eine Wand leuchtet in hundert Nuancen von Gold. Das helle Hol z kreuz. Symbole. Der Altar, die Kommunionbank, alles ist da. Paige lässt sich seufzend auf einer Bank nieder. Sie hält das

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