Der Simulant
es nicht.
Denny kommt und geht, und jedes Mal verschwinden ein paar Steine aus dem Haus. Und wenn man jema n den nicht täglich sieht, bemerkt man, wie er sich ve r ändert. Ich schaue oben aus dem Fenster, Denny kommt und geht und schiebt immer größere Steine in einem Einkaufswagen durch die Gegend, und jeden Tag sieht Denny in seinem alten karierten Hemd ein bisschen größer aus. Sein Gesicht nimmt eine gesunde braune Farbe an, Brust und Schultern weiten sich, das Hemd spannt sich und hängt ihm nicht mehr in Falten herunter.
Er ist kein Riese, aber er ist größer geworden, ein gr o ßer Mann für seine Verhältnisse.
Wenn ich Denny durchs Fenster beobachte, bin ich ein Stein. Ich bin eine Insel.
Ich rufe runter, ob er Hilfe braucht.
Denny dreht sich auf dem Bürgersteig um, einen Stein mit beiden Armen an die Brust gedrückt.
»Hier oben«, sage ich. »Soll ich dir helfen?«
Denny wuchtet den Stein in den Einkaufswagen und zuckt mit den Achseln. Er schüttelt den Kopf, hebt eine Hand über die Augen und sieht zu mir hoch. »Ich brauche keine Hilfe«, sagt er, »aber wenn du willst, kannst du mir trotzdem helfen.«
Vergiss es.
Ich will gebraucht werden.
Ich will für irgendeinen Menschen unentbehrlich sein. Ich brauche jemanden, der meine ganze freie Zeit erfordert, mein Ich, meine Aufmerksamkeit. Jema n den, der nach mir süchtig ist. Eine beiderseitige Sucht.
Siehe auch: Paige Marshall.
Das ist genau wie bei einer Droge, die etwas Gutes und etwas Schlechtes sein kann.
Man isst nicht. Man schläft nicht. An Leeza heruml e cken, das kann man nicht als Essen bezeichnen. Mit Sarah Bernhardt schlafen, das kann man nicht schl a fen nennen.
Die Magie der Sexsucht besteht darin, dass man sich niemals hungrig, müde, gelangweilt oder einsam fühlt.
Auf dem Esszimmertisch stapeln sich die neuen Ka r ten. All diese Schecks und Grüße von Fremden, die so gern glauben wollen, dass sie jemandes Held seien. Die sich einbilden, sie würden gebraucht.
Eine Frau schreibt, sie habe ein Kettengebet für mich organ i siert. Ein geistliches Pyramidenschema. Als ob man sich gegen Gott zusammenrotten könnte. Ihn heru m kommandieren.
Die unsichtbare Grenze zwischen Beten und Nörgeln.
Dienstagabend. Eine Stimme auf dem Anrufbeantwo r ter fragt, ob ich damit einverstanden bin, dass meine Mutter in die dritte Etage des St. Anthony ’ s verlegt wird, die Etage, in die man zum Sterben kommt. Z u nächst höre ich nur, dass es nicht Dr. Marshalls Sti m me ist.
Ich schreie den Anrufbeantworter an: Ja, sicher. Bringt das verrückte Miststück nach oben. Sie soll es gut h a ben, aber für irgendwelche radikalen Maßnahmen za h le ich nicht. Magenschläuche. Künstliche Beatmung. Ich könnte natürlich freundlicher reagieren, aber daran hindert mich die sanfte Art, wie die Angestellte mit mir spricht, ihre gedämpfte Stimme. Dass sie mich offe n bar für einen netten Menschen hält.
Ich sage ihrer sanften, leisen Tonbandstimme, sie soll mich erst wieder anrufen, wenn Mrs. Mancini endlich tot ist.
Wenn ich nicht gerade meine Masche abziehe, um Geld zu verdienen, werde ich lieber gehasst als bemi t leidet.
Als ich das höre, bin ich nicht wütend. Nicht traurig. Das Einzige, was ich noch empfinden kann, ist Gei l heit.
Und Mittwoch heißt Nico.
Wir sind in der Frauentoilette. Die gepolsterte Faust von Nicos Schambein schrubbt mir die Nase, während sie wie besessen auf meinem Gesicht herumreitet. Zwei Stunden lang hält sie mich mit beiden Händen am Hinterkopf und drückt mein Gesicht in sich rein, bis ich an ihren Schamhaaren fast ersticke.
Mit der Zunge in ihren Labia minora, stelle ich mir vor, Dr. Marshalls Ohr auszulutschen. Ich atme durch die Nase und strecke die Zunge der Erlösung entgegen.
Am Donnerstag kommt zunächst Virginia Woolf. Dann Anaïs Nin. Danach bleibt gerade noch Zeit für eine Sitzung mit Sacajawea, und schon ist es wieder so weit, dass ich zur Arbeit im Jahr 1734 aufbrechen muss.
Zwischendurch schreibe ich meine Vergangenheit in ein Notizbuch. Das heißt, ich arbeite an meiner vierten Stufe, an dem furchtlosen und vollständigen Inventar meiner moralischen Vergehen.
Freitag heißt Tanya.
Am Freitag ist der letzte Stein aus dem Haus meiner Mutter verschwunden.
Tanya besucht mich zu Hause, und Tanya heißt anal.
Die Magie des Analverkehrs mit ihr besteht darin, dass sie jedes Mal eng wie eine Jungfrau ist. Und Tanya bringt Spielzeug mit. Kugeln und Dildos und Sonden, und alles riecht
Weitere Kostenlose Bücher