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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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wegzudiskutieren. Ich bin so klug, dass ich jeden Traum verleugnen kann.«
    Ich hocke immer noch da, nackt und müde. Das Coc k pit gibt durch, wir befänden uns im Sinkflug, im Anflug auf Los Angeles; dann Uhrzeit und aktuelle Temper a tur, Informationen zu Anschlussflügen.
    Und für einen Augenblick stehen diese Frau und ich nur da und lauschen, mit ganz leerem Blick.
    »Ich tue das, das, weil es mir Spaß macht«, sagt sie und knöpft sich die Bluse zu. »Vielleicht weiß ich gar nicht so genau, warum ich das mache. Irgendwie ist das auch der Grund, warum man Mörder hinrichtet. Weil man, wenn man erst mal ein paar Grenzen übe r schritten hat, immer nur noch mehr überschreitet.«
    Sie nimmt beide Hände hinter den Rücken und zieht den Reißverschluss ihres Rocks zu. Sie sagt: »In Wahrheit will ich eigentlich überhaupt nicht wissen, warum ich das mit dem Sex immer wieder mache. Ich tue es einfach«, sagt sie, »weil man, sobald man einen guten Grund dafür gefunden hat, schon dabei ist, die Sache kaputtzumachen.«
    Sie steigt in ihre Schuhe, streicht sich über die Frisur und sagt: »Bilde dir bitte nicht ein, dass das etwas Besonderes war.«
    Sie schließt die Tür auf und sagt: »Entspann dich.« Sie sagt: »Eines Tages wird dir alles, was wir eben getan haben, wie ziemlich kleine Fische vorkommen.«
    Sie zwängt sich durch die Tür und sagt: »Heute ist nur das erste Mal, dass du diese spezielle Grenze übe r schritten hast.« Sie lässt mich nackt und allein zurück und sagt: »Vergiss nicht, die Tür hinter mir abz u schließen.« Dann lacht sie und sagt: »Das heißt, falls du jetzt noch jemals hinter vers chlossener Tür sitzen willst.«

41
    Die Empfangsschwester will heute überhaupt keinen Kaffee.
    Sie will auch nicht auf den Parkplatz und nach ihrem Auto sehen.
    Sie sagt: »Wenn irgendwas mit meinem Auto ist, weiß ich, wer dahinter steckt.«
    Und ich sage: Pssst.
    Ich sage , ich höre da was Bedeutsames, irgendwo strömt Gas aus oder schreit ein Baby.
    Es ist die Stimme meiner Mutter, dumpf und müde überträgt der Lautsprecher die Stimme aus irgende i nem unbekannten Raum.
    Wir stehen am Empfangsschalter des St. Anthony ’ s und lauschen. Meine Mutter sagt: »Der Wahlspruch für Amerika ist: >Nicht gut genug.< Nichts ist schnell genug. Nichts ist groß genug. Niemals sind wir zufri e den. Immer müssen wir alles besser machen … «
    Die Empfangsschwester sagt: »Ich hör nicht, dass da irgendwo Gas ausströmt.«
    Die leise, matte Stimme sagt: »Ich habe mein Leben lang immer nur alles angegriffen, weil ich zu viel Angst hatte, selbst etwas zu schaffen … «
    Und die Empfangsschwester schaltet den Ton ab. Sie drückt auf den Mikrofonknopf und sagt: »Pfleger R e mington zum Empfang. Pfleger Remington bitte u m gehend zum Empfang.«
    Das ist der fette Wachmann mit der Brusttasche voller Kugelschreiber.
    Aber als sie das Mikrofon loslässt, kommt wieder die Stimme aus dem Lautsprecher, ein mattes Wispern.
    »Niemals war irgendetwas gut genug«, sagt meine Mutter, »und jetzt, am Ende meines Lebens, stehe ich mit leeren Händen da … «
    Die Stimme verschwindet.
    Nichts mehr zu hören. Nur weißes Rauschen. Knistern.
    Und jetzt wird sie sterben.
    Es sei denn, es geschieht ein Wunder.
    Der Wachmann stürmt durch die Sicherheitstür, sieht die Empfangsschwester an und sagt: »Und? Was gibt ’ s?«
    Der Monitor zeigt in körnigem Schwarz-Weiß, wie sie auf mich zeigt, wie ich mich vor Bauchschmerzen krümme und mir mit beiden Händen den gedunsenen Unterleib halte. Sie sagt: »Der da.«
    Sie sagt: »Dieser Mann muss aus dem Gebäude en t fernt werden. Auf der Stelle.«

42
    In den Nachrichten gestern Abend sah das so aus: Ich gestikuliere laut schreiend vor der Kamera, hinter mir ist Denny damit beschäftigt, einen Stein in die Mauer zu fügen, und dicht hinter ihm hämmert Beth bei dem Versuch, eine Statue zu meißeln, einen Felsbrocken in Stücke.
    Auf der Mattscheibe sehe ich aus wie ein Gelbsücht i ger, bucklig von den Pflastersteinen in meinem Bauch. Schmerzverkrümmt recke ich das Gesicht in die Kam e ra, der Hals ragt mir schräg aus dem Kragen. Mein Hals ist so dünn wie ein Arm, der Adamsapfel wirkt so groß wie ein Ellbogen. Das war gestern gleich nach der Arbeit, ich habe noch das weite Leinenhemd und die Kniehosen aus dem alten Dunsboro an. Die Schnalle n schuhe und das Halstuch machen die Sache auch nicht gerade besser.
    »Mann«, sagt Denny. Er sitzt neben Beth. Wir sind in Beths

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