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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Wohnung und schauen uns die Sendung an. Er sagt: »Du siehst ja nicht grade umwerfend aus.«
    Ich sehe aus wie dieser dicke Tarzan aus meiner vie r ten Stufe, der mit dem Affen und den Röstkastanien. Der feiste Erlöser mit dem seligen Lächeln. Der Held, der nichts mehr zu verbergen hat.
    Dabei wollte ich im Fernsehen eigentlich nur klarste l len, dass es keinen Streit gebe. Ich wollte den Leuten erklären, wie es zu diesem Schlamassel gekommen sei: dass ich bei der Stadt angerufen und gesagt habe, ich wohne hier in der Nähe, und irgendein Irrer baue hier ohne Genehmigung, was, wisse ich auch nicht. Jedenfalls sei die Baustelle für die Kinder aus der Nachbarschaft eine Gefahr. Und der Mann, der da baue, mache keinen allzu seriösen Eindruck. Es handle sich eindeutig um eine satanische Kirche.
    Und dann habe ich beim Fernsehen angerufen und denen dasselbe erzählt.
    Und so sei die Sache ins Rollen gekommen.
    Dass ich das alles nur getan hatte, weil ich wollte, dass Denny mich braucht, na ja, das habe ich nicht gesagt. Nicht im Fernsehen.
    Dazu kommt, dass meine ganzen Rechtfertigungen im Papierkorb des Schneideraums gelandet sind, im Fer n sehen sieht man mich nämlich nur als einen ve r schwitzten, aufgeblähten Irren, der den Reporter a n schreit, er solle abhauen, und mit einer Hand das K a meraauge zuzuhalten versucht und mit der anderen nach dem durchs Bild schwenkenden Mikrofongalgen schlägt.
    »Mann«, sagt Denny.
    Beth hat meinen kleinen belämmerten Auftritt auf V i deo aufgenommen, und wir sehen uns das immer wi e der an.
    Denny sagt: »Mann, du siehst aus, als ob du vom Te u fel besessen bist oder so was.«
    In Wirklichkeit bin ich von einer ganz anderen Gottheit besessen. Ich versuche doch nur, alles wieder gutz u machen. Ich übe kleine Wunder, um mich auf die gr o ßen vorzubereiten.
    Ich habe ein Thermometer im Mund; als ich nachsehe, sagt es, dass ich über 38 Grad Fieber habe. Der Schweiß strömt mir aus allen Poren, und ich sage zu Beth: »Entschuldige, wenn ich dir dein Sofa versaue.«
    Beth nimmt das Thermometer, wirft einen Blick darauf und legt mir eine kühle Hand auf die Stirn.
    Und ich sage: »Entschuldige, dass ich dich immer für eine blöde, hirnlose Nutte gehalten habe.«
    Als Jesus muss man ehrlich sein.
    Und Beth sagt: »Schon gut.« Sie sagt: »Wie du von mir gedacht hast, hat mich nie interessiert. Für mich war nur Denny wichtig.« Sie schüttelt das Thermom e ter runter und schiebt es mir wieder unter die Zunge.
    Denny spult das Band zurück, und da bin ich wieder.
    Heute Abend tun mir die Arme weh, die Hände sind aufgeweicht und rissig von der Arbeit mit Kalk und Mörtel. Ich frage Denny, was das für ein Gefühl ist, so berühmt zu sein.
    Hinter mir auf dem Bildschirm erhebt sich ein Turm. In anderen Mauern gähnen Fensterhöhlen. Durch ein Po r tal sieht man eine breite Treppe. Weitere Mauern wi r ken wie Fundamente für noch mehr Gebäude, noch mehr Türme, Arkaden, Kolonnaden, hochgelegte Swimmingpools, tiefgelegte Gärten.
    Die Stimme des Reporters fragt: »Das Bauwerk, das Sie hier errichten: Soll das ein Haus werden?«
    Und ich sage, das wissen wir nicht.
    »Oder handelt es sich um eine Kirche?«
    Wir wissen es nicht.
    Der Reporter reckt sich ins Bild, sein braunes Haar steht ihm als feste Welle über der Stirn. Er hält mir das Mikrofon vor den Mund und fragt: »Also, was ba u en Sie hier?«
    Das wissen wir erst, wenn der letzte Stein gesetzt ist.
    »Und wann wird das sein?«
    Wir wissen es nicht.
    Wenn man so lange allein gelebt hat, ist es ein gutes Gefühl, »wir« zu sagen.
    Denny sieht sich das an, er zeigt auf den Fernseher und sagt: »Perfekt.«
    Er sagt, je länger wir an dem Bau arbeiten, desto lä n ger können wir kreativ sein, desto mehr wird möglich sein. Desto länger können wir akzeptieren, dass wir unvollkommen sind. Die Befriedigung hinauszögern.
    Über tantrische Architektur nachdenken.
    Im Fernsehen erzähle ich dem Reporter: »Es geht hier um einen Prozess. Und nicht darum, etwas zu volle n den.«
    Das Komische dabei ist: Ich bilde mir wirklich ein, Denny zu helfen.
    Jeder Stein steht für einen Tag, den Denny nicht ve r geudet. Glatter Flussgranit. Dunkle Basaltbrocken. Jeder Stein ist ein Grabstein, ein kleines Denkmal für jeden Tag, an dem die von den meisten Menschen geleistete Arbeit sich einfach in Luft oder Rauch au f löst oder kaum, dass sie erledigt ist, schon zum alten Eisen zählt. So was erwähne ich dem Reporter gege n über

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