Der Simulator
zweifellos werden auch Sie bemerkt haben, dass die Rollen bereits verteilt sind.« Als wolle sie seine Worte Lügen strafen, lächelte Germaine just in diesem Augenblick spitzbübisch zu ihnen herüber. Er winkte matt zurück. »Ja, Germaine, du Göttin der Verführung, streife auch mich mit dem Atem der Liebe, berühre meine verlorene Seele...« Sein Lachen ging in ein langanhaltendes Husten über. »Verzeihen Sie.«
Maximilian, der nicht wusste, was er von diesem seltsamen Ausbruch halten sollte, fragte verlegen, ob noch andere Gäste erwartet würden.
»Kann schon sein, den einen oder den anderen vielleicht.« Er hob die Hand und starrte darauf, als zähle er angestrengt seine Finger. Dann sah er Maximilian direkt ins Gesicht, und sein Ausdruck verwandelte sich. Fast belustigt sagte er: »Aber ich weiß nicht, ob Männlein oder Weiblein, wenn es das ist, was Sie interessiert.«
Kühl bemerkte Maximilian, dass er verlobt sei und im Herbst zu heiraten gedenke.
Der andere ging nicht weiter darauf ein. Er war wieder ernst geworden und hatte sich von ihm abgewandt. »Laura.« Mehrmals nickte er vor sich hin. « Das ist wirklich ein verdammt hübsches Mädchen.«
Maximilian, der nicht wusste, von wem die Rede war, fragte, ob sie eine Bekannte oder Freundin in Deutschland sei.
»Sie haben Laura noch nicht gesehen?« Josef Lindemann lachte laut auf. Seine Stimmungen schienen so wechselhaft wie Aprilwetter. »Sonntag, natürlich! Sie hat heute ihren freien Tag.« Trocken stellte er fest: »Laura, ist die Tochter des Wirts.« Und dann schlug er ihm fast fröhlich auf die Schulter und setzte hinzu: »Gehen Sie schnell schlafen! Genießen Sie diese letzte Nacht des Friedens und der Ruhe! Wer weiß, ob sie das noch können, wenn Sie Laura erst einmal gesehen haben.«
Mein Alphabet der Frauen
Ist ER ein hingebungsvoller Liebhaber, ein abgebrühter Macho, schlicht bindungsunfähig – oder ein bisschen von allem? Zwanzig Frauen, die auf den ersten Blick nichts gemein haben, öffnen einer ihnen unbekannten Journalistin das Herz und geben intimes Zeugnis ihrer Affäre mit IHM. Manche haben allen Grund, richtig sauer zu sein, andere trauern IHM hinterher. Einige teilten nur ein paar Tage mit ihm, andere gingen jahrelang mit IHM durch Dick und Dünn. Lustvoll für die Einen, deprimierend für die Anderen, zerstörerisch für einzelne: Diese Beziehungen haben kaum eine unberührt gelassen.
Marco Lalli genießt in seinem neuen Roman das Spiel mit den Perspektiven. Er lässt uns durchs Schlüsselloch schauen und öffnet Abgründe. «Mein Alphabet der Frauen« ist schlüpfrig, zeugt von Hingabe, verknüpft Dramen in Miniaturform zu einer komplexen Erzählung. Was auf den ersten Blick nur eine frivole Aneinanderreihung von Bettgeschichten à la Casanova sein könnte, entwickelt sich schnell zu einer vielschichtigen Erzählung mit psychologischer Dichte.
Für manche Protagonistin ist nämlich die Zeit gekommen, abzurechnen. Andere haben dieses Kapitel ihres Lebens längst vergessen und holen die Erinnerungen aus der Tiefe hervor. Der Leser hat die Wahl: Leidet er mit den Frauen mit, bedauert er sie, freut er sich mit ihnen an den gemachten Erfahrungen – oder entwickelt er gar Hassgefühle gegen den so dezent im Hintergrund bleibenden eigentlichen Hauptdarsteller?
ER darf sich zurücklehnen, nun haben die Frauen das Wort.
Leseprobe
Laura
Ich erinnere mich an einen Tag Ende Januar. Es war der 28., ein Dienstag. Ich weiß das so genau, weil an diesem Tag die Challenger vom Himmel fiel. Ich klingelte an seiner Haustür, eine ramponierte Tür aus Sicherheitsglas, die zu einem fünfstöckigen Haus im Osten Mannheims gehörte. Sozialer Wohnungsbau, wie er manchmal scherzte, obwohl es wahr sein musste. Die Tür war schon abgeschlossen, und so kam er von ganz oben herunter. Außer Atem, als sei er ganze Treppenabsätze auf einmal heruntergesprungen, umarmte er mich und wollte mich küssen, als ich ihm sagte, die amerikanische Raumfähre sei explodiert.
Es gibt solche Augenblicke. Wir stehen noch halb auf der Straße, Autos, die im Schritttempo einen Parkplatz suchen, ein Junge, der sein Fahrrad abschließt und sich an uns vorbei ins Treppenhaus drängt. Es ist kalt, und sein Atem kommt stoßweise, kleine Wolken, die aus seinem Mund quellen, mir ins Gesicht.
Er sagt nichts, hält noch immer meinen Arm, und ich stehe auf Zehenspitzen, um seinen Kuss zu erwidern. Es gibt solche Augenblicke, in denen man sich als Teil von etwas
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