Der Simulator
ich gut konnte damals. Im Vergleich dazu ist eine Barbie-Puppe eine böse Hexe.
Natürlich war ich zu spät, und er macht eine ironische Bemerkung, irgendwas über die Schönheit der späten Stunde, aber erst nach einer kleinen Pause, in der er mir nachstarrt, auf die Haare oder – eher – auf den Hintern, den ich unter meinem engen Rock vorsichtig pendeln lasse. Bis ich mich umständlich gesetzt habe, bleibt es dann still, und ich fange Monicas wütenden Blick auf.
Er muss damals um die dreißig gewesen sein. Am meisten hat mich sein Schnauzbart gestört, der viel heller war als sein Haar, braun, fast rötlich. Er passte so wenig zu ihm, dass man meinen konnte, er sei aufgeklebt. Er hing links und rechts von seiner Oberlippe herunter und ließ ihn stets etwas traurig wirken oder griesgrämig. Ich glaube, er stutzte ihn nicht sehr häufig. Ich weiß nicht, warum er ihn trug. Ich glaube, ohne ihn hätte er besser ausgesehen. Auf jeden Fall sah er nicht wie ein angehender Professor aus, eher wie ein kleiner Gewerkschaftsfunktionär. Ich will damit sagen, er sah überhaupt nicht intellektuell aus. Wirklich nicht.
Lass mich überlegen. Außer Monica saß da noch Katja, langes Haar, schlank, mit einem riesigen Busen und langen Spinnenhänden. Dann Svenja, eine hübsche Blondine, die Psychoanalytikerin geworden ist. Sie muss sein Typ gewesen sein nach allem, was ich über ihn weiß. Aber sie haben nie miteinander geschlafen, haben sich nur gegrüßt, so als seien sie alte Bekannte, die vergessen haben, woher sie sich kennen. »Ich habe einen Pferdearsch«, hat sie Jahre später einmal zu mir gesagt. Aber das war übertrieben. Und es gibt viele Männer, die auf große Hintern stehen, oder etwa nicht? Und dann Liv, ein dürres Mädchen, das in Wirklichkeit Olivia hieß und unglaublich blasiert schauen konnte, wahrscheinlich aber nur unglaublich schüchtern war. Möglich, dass ich mich täusche. Mag sein, dass sie gar nicht da war. In meiner Erinnerung sitzt mein ganzes Semester in diesem Seminar. Es ist das, was ich vor mir sehe, wenn ich an meine Studienzeit denke. Auf jeden Fall hat Liv ihn dann später geheiratet. Nicht zu fassen.
Liv war der Grund, warum wir uns getrennt haben. Aber das war später, viel später. Erst mussten sie sich kennen lernen. Das war auf dem Sommerfest des Instituts. Und ich war zufällig dabei.
Zu Vorlesungsende fand ein großes Fest statt. Meistens im Gang der Alten Anatomie. Klingt nicht sehr spannend und war es auch nie. Es muss Ende Juni gewesen sein. Die Vorbereitungen für das Fest waren in vollem Gange. Es war so heiß, wie es hier nur im Juni sein kann. Auf dem Rasen hinter dem Hauptgebäude saßen einige Kommilitonen und sonnten sich. Andere lasen oder redeten. Währenddessen schleppten die Leute von der Fachschaft die Stereoanlage rein, die Boxen und unzählige Bier-und Wasserkisten. Es war ein ständiges Kommen und Gehen, also genau der richtige Ort, um zu schauen und um gesehen zu werden.
Er stand bei seinem Motorrad und redete mit Karl-Heinz, einem Lockenkopf, mit dem ich hin und wieder ein wenig flirtete. Oder er mit mir, denn er war einer der charmantesten Jungs, die man sich vorstellen kann. Jahre später hat er in einem Wutanfall seinen Hund gegen die Wand geworfen und ihm das Genick gebrochen. Das habe ich von Katja. Sie hat Karl-Heinz geheiratet und zwei Kinder von ihm bekommen. Aber das erwähne ich nur der Vollständigkeit halber.
Sie standen beide bei diesem Motorrad und sahen den Frauen hinterher. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie sich fachmännisch über ihre verschiedenen Vorzüge unterhalten hätten, aber als ich bei ihnen stehen blieb, sprachen sie über irgendwelche Rechenzentren und Computernetze. Karl-Heinz arbeitete als wissenschaftliche Hilfskraft in der EDV-Beratung am Rechenzentrum. Eigentlich ging es darum, eine elektronische Mitteilung nach Norwegen zu schicken, was nicht ganz einfach zu sein schien, weil man zuerst über Rom nach Washington musste, um dann von Kanada nach Nordeuropa zurückzukehren. Sie redeten über Gateways und Netzknoten und solche Dinge, die mir schon damals herzlich egal waren, und heute bin ich froh, dass ich meine Emails mit einem einzigen Knopfdruck in die ganze Welt verschicken kann.
Ich nahm seine Hand, und er drückte mich an sich, was Karl-Heinz zu erstaunen schien. Er wusste offenbar nicht, dass wir etwas miteinander hatten. Bald ließ Karl-Heinz uns allein, bestand aber darauf, ich müsse später am Abend mit ihm
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