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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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auf vollen Touren läuft, brauchen wir die Interviewer. Und je mehr wir von Ihnen überflüssig machen, desto größer ist die Gefahr, dass die öffentliche Meinung kippt. Wer will schon ein Heer Arbeitslose?«
    »Und Ihre politischen Verbindungen?«
    »Politiker! Sie wissen genauso gut wie ich, dass die ihre Mäntelchen nach dem Wind hängen. Und wenn der morgen dreht...«
    »Was soll ich also tun?«
    »Sie sorgen dafür, dass der Simulator so bald wie möglich seine volle Leistung erbringt... «
    »Wir tun schon das Menschenmögliche«, unterbrach ich ihn.
    »Das Menschenmögliche reicht eben nicht. Fahren Sie Schichtbetrieb. Vierundzwanzig Stunden am Tag. Fordern Sie so viele Leute an, wie Sie brauchen können.«
    »Neue Mitarbeiter müssen erst geschult werden«, wandt ich ein.
    »Aber Sie werden sicher auch jemanden brauchen, der die Schrauben poliert, oder? Was weiß ich! Mensch, Lapierre, ich erwarte von Ihnen keine Bedenken, ich erwarte Lösungen. Bedenken habe ich schon selbst genug.«
    »Ich werde tun, was ich kann.«
    »Mehr als das, Lapierre, mehr als das. Und ich werde mich in der Zwischenzeit um diese gottverdammten Schnüffler kümmern. Wir brauchen eine Übergangslösung, eine Beschäftigungsgarantie, Umschulungen, irgendetwas.« Ich war aufgestanden. »Ja, Sie können jetzt gehen, Lapierre. Und vergessen Sie meine kleine Spielerei nicht!«
    Ich war noch keine zwei Minuten wieder in meinem Büro, als Stefan Kurz hereinkam.
    »Chef, darf ich? Ich habe Sie überall gesucht. Sie hatten Ihren Kom nicht dabei, und die Zentrale konnte Sie nicht orten.« Tatsächlich war ich Kowalskis Ruf etwas überstürzt gefolgt. »Chef, wir haben ein Problem. Peter Löwitsch.«
    Ich horchte auf. Peter Löwitsch war unsere Kontakteinheit. »Was ist mit ihm?«
    »Es ist nicht das erste Mal, dass er Schwierigkeiten macht, aber diesmal...«
    Peter Löwitsch hatte eine überaus labile Persönlichkeit. Natürlich war die Rolle, die er für uns im Simulator spielte, maßgeblich dafür verantwortlich. Blinzle war der festen Überzeugung gewesen, dass wir einen Agenten oder Spion im System brauchten, jemanden, der Tag und Nacht den Simulator von innen überwachte, jemanden, der Störungen registrierte und Auffälligkeiten vermerkte, der uns ständig über die geringste Unregelmäßigkeit auf dem Laufenden hielt. So war Peter Löwitsch die einzige Reaktionseinheit, die wusste, dass sie kein echter Mensch, dass sie nur elektronisch simuliert war, ein Wissen, mit dem man offenbar nur schwer fertig wurde.
    Wenn es ein ethisches Problem im Simulator gab, dann war es dieses. Darin waren Blinzle und ich uns einig gewesen.
    Löwitsch schien einen religiösen Wahn entwickelt zu haben. Er sah sich als Messias oder Propheten an und scharte Jünger um sich. Die kürzlich erfolgten Explosionen – jene, die ich selbst erlebt hatte, war nur eine von mehreren gewesen – hatte er als Zeichen eines bevorstehenden Weltuntergangs gedeutet, einer Apokalypse, von der Gott ihn exklusiv in Kenntnis gesetzt habe. Ob er selbst daran glaubte, war zweifelhaft. Bei den verunsicherten Reaktionseinheiten fand er jedenfalls mehr und mehr Gehör.
    »Ich fürchte, das lässt sich nicht mit ein paar kleineren programmtechnischen Ausbesserungen aus der Welt schaffen«, fasste Kurz seinen Bericht zusammen.
    Auf Anhieb wusste auch ich keinen Rat. Wir hatten tagelang am Simulator herumgedoktert, ohne den Reaktionseinheiten eine überzeugende Erklärung für die Explosionen liefern zu können, die Teile der Stadt verwüstet hatten. Wie konnte man ihnen auch plausibel machen, dass die ihnen bekannte Welt um ein Haar in die Luft geflogen wäre? Die Terrorgeschichte stand auf wackligen Füßen. Da hatte es Peter Löwitsch mit seiner Apokalypse leichter. Vielleicht wäre ein Reset tatsächlich die bessere Lösung gewesen. Ein Reset, bei dem wir auch Löwitsch gefahrlos aus dem System hätten entfernen können.
    »Mir war noch nie wohl dabei, dass da unten jemand rumläuft, der über alles Bescheid weiß.« Ich dachte an meine nächtelangen Diskussionen mit Blinzle zurück. »Vielleicht können wir bald darauf verzichten.« Vielleicht genügte es, die Kontrollen zu verstärken, die Anzahl der Avatare zu erhöhen, um vor unliebsamen Überraschungen gefeit zu sein. Doch das war leichter gesagt, als getan.
    »Sie müssen mit ihm reden!«
    »Mit Löwitsch?«
    Stefan Kurz nickte. »Er kennt Sie, er vertraut Ihnen. Sie und Blinzle waren die einzigen, die Kontakt mit ihm

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