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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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geworden. Es war fast Abend, als ich zum Simulator hinunterfuhr.
    Natürlich war Stefan Kurz noch immer da. Vor sich hin pfeifend, stand er am Programmiertisch und nahm Einstellungen vor. Auf der riesigen, mattschimmernden Platte gruppierte er Programmabschnitte um oder fügte neue hinzu. Wie ich wusste, halfen ihm dabei intelligente Werkzeuge, die die Feinprogrammierung im Hintergrund übernahmen.
    »Ich glaube, ich habe die Ursache für Hausers psychische Störung gefunden.« Er schien mit sich überaus zufrieden. »Offenbar ein Fehler in der Konstanzkontrolle.«
    Alle Prozesse wurden von einer übergeordneten Instanz überwacht, die dafür sorgte, dass die Ereignisse im Simulator den allgemeingültigen Naturgesetzen folgten. Erst dadurch ergab sich eine ausreichende Stabilität der künstlichen Wirklichkeit.
    »Es ist vermutlich beunruhigend, wenn der TriVid-Schirm plötzlich in der Luft schwebt, anstatt auf der Konsole zu stehen. Oder wenn in der Dusche das Wasser nach oben fließt, anstatt nach unten.« Er lachte.
    »Und das ist tatsächlich passiert?« Fehler dieser Ordnung sollten eigentlich ausgeschlossen sein.
    »Na ja, so Sachen eben. Unsere Frau Hauser hat sie vermutlich für Halluzinationen gehalten. Aber die Gute hat das jetzt hinter sich.«
    Ich erstarrte. »Hinter sich?«
    »Ende, Exitus, Game over. Ich habe sie gelöscht. Offizielle Lesart: Selbstmord durch Schlaftabletten. Ein schöner, sauberer Tod. Was will man mehr?« Er schaute von seiner Programmierung auf. »Ist das ein Problem für Sie, Marc?«
    Stefan Kurz war schnell. Doch damit hatte ich nicht gerechnet. Kaum glaubte ich den Schlüssel zur Lösung aller Rätsel in Händen zu halten, wurde mir dieser wieder weggenommen. »Nein, es ist schon gut, Stefan. Ich hätte nur gerne vorher mit ihr gesprochen. Ich hatte so eine Idee.«
    »Jetzt, wo wir wissen, woran es lag, dachte ich...«
    »Nein, wirklich, es ist ok. Gibt es ein Backup? Irgendwas, was ich mir ansehen kann?«
    Kurz öffnete eine Datenbank und suchte eine Weile darin herum. »Das letzte vollständige Backup ist vermutlich zu alt. Da war sie noch ganz gut beieinander.« Er hob bedauernd die Arme. »Sie wissen ja, der Speicherplatz ist knapp, und die Datenmengen, die hier jeden Tag anfallen, sind unfassbar groß.«
    Elea Hauser war also tot, so tot, wie man nur sein konnte. Mit ihr war auch Blinzles Botschaft, falls es jemals eine gegeben hatte, verloren. Doch vielleicht konnte mir Peter Löwitsch etwas über sie berichten. Ich wollte nichts unversucht lassen.
    »Ok, Stefan, ich gehe runter.«
    »Mit dem Avi?«
    »Natürlich, ich muss mit ihm sprechen.«
    »Eine Viertelstunde und keine Sekunde länger.« So lauteten die Sicherheitsvorschriften für ein biologisches Interface der Stufe 1. »Ich gebe Ihnen ein Zeichen.«
    In einem Avatar erlebte man den Simulator völlig anders als über eine Empathieschaltung. Die erzwungene Nähe zum Gastgeber war zwar nicht immer angenehm, sie brachte aber mit sich, dass man die fremde Umwelt mit den Augen ihrer Bewohner sah. Eine Vertrautheit, die auch auf den Besucher ausstrahlte. In einem Avatar war man auf sich allein gestellt. Es gab niemand, der einem half, sich zurechtzufinden, der Straßen und Plätze mit seinen Erinnerungen füllte.
    Als Zugang hatten wir die Lobby des Green Hyatts gewählt. Ich materialisierte in einem leeren Aufzug, der hinunter ins Erdgeschoß fuhr. In diesem Hotel herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Ein fremdes Gesicht mehr fiel nicht auf.
    Löwitsch wartete schon auf mich. Er saß in der Nähe der Fensterfront. Von dort hatte man einen schönen Blick auf den kleinen See, das wirklich gelungene Werk eines unserer Praktikanten. Sobald er mich erkannte, sprang er auf. Unsicher, ob er mir die Hand geben sollte, stand er dann vor mir.
    Auch ich war mir unschlüssig, wie ich beginnen sollte. Ich zeigte auf die Sitzgruppe, und wir nahmen Platz.
    Ich selbst war in einer Kopie meines eigenen Körpers unterwegs. Darin fühlte ich mich mit Abstand am wohlsten. Im Gegensatz zur realen Welt, wo ich meistens mit Jeans und Rollkragenpullover herumlief, trug ich hier immer Anzug und Krawatte. Die zuständige Psychologin beharrte darauf, dass wir bei unseren Besuchen maximale Seriosität ausstrahlen sollten. Was mir zuerst wie eine dumme Verkleidung erschienen war, gefiel mir zwischenzeitlich ausgesprochen gut. Im wirklichen Leben hätte ich mir die schwere, glänzende Seide natürlich niemals leisten können.
    Löwitsch war mit

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