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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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einem einfachen schwarzen Anzug, einem weißen Hemd und einem passenden Kollar-Kragen bekleidet. Man sah ihm auf den ersten Blick an, dass er Priester war. Er musste etwa in Blinzles Alter sein, allerdings spannten sich seine Jackenknöpfe über einem ordentlichen Bauch. Als Pfarrer einer der wichtigsten Kirchengemeinden der Stadt kam er mit vielen Menschen zusammen und konnte sie Zuhause nach Belieben aufsuchen. Das machte ihn zum idealen Aufseher.
    »Ich will ganz offen zu Ihnen sein«, begann ich. Löwitsch sah zu Boden. »Was mir zu Ohren gekommen ist, besorgt mich, besorgt mich sogar sehr.«
    »Und was ist Ihnen zu Ohren gekommen, wenn ich fragen darf? Dass wir hier beinahe alle draufgegangen wären, weil Ihnen ein kleiner Fehler unterlaufen ist?«
    Peter Löwitsch hatte sich verändert. War er früher manchmal unterschwellig ungehalten gewesen – ein Ton, der sich in seinen vordergründigen Diensteifer gemischt hatte – erschien er jetzt offen aufsässig. Außerdem fragte ich mich, woher er von der Störung wusste. Oder war das nur ein Schuss ins Blaue?
    »Ein harmloser Zwischenfall, mehr nicht. Zu keinem Zeitpunkt...«
    »Siebenundzwanzig Tote«, unterbrach er mich. »Siebenundzwanzig unschuldige Menschen...«, er schluckte und schwieg.
    Im Stillen verfluchte ich Kurz, der mir diese Information vorenthalten hatte. Vermutlich hatte er das schlicht vergessen. Die siebenundzwanzig verlorenen Einheiten hatte er im Handumdrehen durch neue ersetzt.
    »Beruhigen Sie sich.« Auch hier war es jetzt Abend, und durch die Drehtür des Hotels strömten die Menschen hinein oder hinaus. »Ich verspreche Ihnen, dass so etwas nicht wieder vorkommt.«
    »Es sei denn, Sie beschließen morgen, die ganze Anlage abzuschalten.« Er schnippte mit dem Finger.
    Ohne darauf einzugehen, fuhr ich fort: »Es geht um Ihre Predigten. Uns missfällt, dass Sie sich hier als Heilsbringer aufspielen.« Er lächelte mich schief an. Peter Löwitsch war jemand, der mich in kürzester Zeit wütend machen konnte. »Was soll dieses Gerede vom Propheten, der sein Volk in das rettende Land, ins Diesseits führen wird?«
    »Sie sind mein Gott, und ich bin Ihr Prophet. Ist das nicht so?« Wieder dieses Lächeln.
    »Das widerspricht unseren Abmachungen.«
    »Ich habe mir dieses Leben nicht ausgesucht! Ich habe mir nie gewünscht, eingeweiht zu werden! Habe ich jemals in meiner Kirche gesessen und Gott um Erleuchtung gebeten?«
    Ich sollte ihn abschalten, dachte ich kurz, ich sollte diesen ganzen Mist abschalten. »Wenn es Ihnen um die Menschen hier geht«, ich gab mir Mühe, ruhig und besonnen zu klingen, »dann sollten Sie mit uns zusammen arbeiten. Wir können das Leben von Ihnen allen erträglicher gestalten. Und so schlecht lebt es sich hier doch gar nicht.« Ich sah mich demonstrativ um. »Glauben Sie, ich könnte mir in meiner Welt ein solches Hotel leisten?«
    Er schnaubte und sah mich verächtlich an. »Das ist nicht das wirkliche Leben, verstehen Sie? Das bedeutet nichts! Wir müssen hinauf in die wirkliche Welt, Stufe um Stufe hinauf. Das ist das Einzige, was zählt.«
    »Sie wissen genauso gut wie ich, dass das nicht geht.«
    »Ich weiß, dass das geht, und ich werde das jeden Tag von meiner Kanzel predigen.«
    »Was wollen Sie wirklich, Löwitsch?«
    Plötzlich ergriff er meine Hand. »Bitte nehmen Sie mich mit! Ich weiß, dass Sie einen Transfer einleiten können. Ich schwöre Ihnen, Sie werden es nicht bereuen. Ich kann Ihnen bei der Steuerung des Simulators helfen. Nicht einmal Sie wissen so viel darüber wie ich.«
    Während er weiter flehte und mir das Blaue vom Himmel versprach, versuchte ich ihm meine Hand zu entwinden. Ich wollte kein Aufsehen erregen. Selbst in dieser simulierten Welt war mir das peinlich.
    Zum Glück näherte sich in diesem Augenblick ein Hotelpage. Er fragte nach meinem Namen und gab mir ein Billet. ‚Marc, noch zwei Minuten!’ stand darauf. Ich erhob mich.
    »Löwitsch, ich muss gehen. Denken Sie über alles noch einmal nach. Machen Sie uns keine Schwierigkeiten.«
    »Sonst?«
    »Nichts, sonst.«
    »Könnte mir sonst etwas zustoßen? Ein Unfall? Selbstmord?« Ich horchte auf. »Ja, Frau Hauser ist in meiner Gemeinde.«
    »Wir hatten mit ihrem Selbstmordversuch nichts zu tun.« Das war die Wahrheit. Dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits tot war, konnte er unmöglich wissen. »Dennoch fürchte ich, dass Sie es wieder tun wird. Sie ist ein Fall für die Psychiatrie.«
    »Für was?«
    »Nichts«, eine Psychiatrie gab

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