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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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mich sehen, und ich beeilte mich, seiner Bitte zu entsprechen, einer Bitte, die einem Befehl gleichkam.
    Obwohl er sicherlich wie wir alle unter großem Druck stand, wirkte er gelassen wie immer. Er bot mir einen Platz an und ließ mir Kaffee kommen. Als habe er alle Zeit der Welt, musterte er mich eine Weile schweigend.
    »Wie geht die Arbeit voran, Marc?«
    »Durch den ... Zwischenfall neulich haben wir ein paar Tage verloren. Das System...«
    »Dumme Sache, wirklich. Aber harmlos, wir konnten keinen Hinweis auf ein Fremdverschulden finden.«
    Das alles wusste ich bereits, und ich fragte mich, warum er mich hatte kommen lassen.
    »Was halten Sie von unserem Freund Trautmann?«
    »Alexander Trautmann ist ein bedeutender Mann, und die Gelegenheit...«
    Kowalski winkte ab. »Trautmann ist eine Pfeife. Das können Sie mir glauben, Lapierre, ich kenne ihn schon ein halbes Leben.« Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich in seinem riesigen Schreibtischsessel zurück. »Ein kleiner Bürokrat, mehr nicht. Ein Mann ohne Charisma. Er sieht sich als die graue Eminenz im Hintergrund, aber er ist nur ein braver Parteisoldat. Wir brauchen viele von dieser Sorte, glauben Sie mir, sehr viele.«
    Ich zog es vor, nicht zu antworten. Trautmann kannte ich nicht, und im Grunde war mir das Thema herzlich egal.
    »Die Stars, Marc, die Stars stehen vorne. Die wirklich zählen, sind die Frontmen, die Anchormen. Menschen mit Ausstrahlung, Menschen, die begeistern, die mitreißen können. Politik ist nichts als Psychologie. Das wissen wir beide, nicht wahr? Was nutzt eine tolle Idee, wenn man niemanden hat, der sie den Menschen verkaufen kann? Und ein guter Verkäufer, das ist Trautmann weiß Gott nicht.«
    Kowalski war ein guter Verkäufer, vielleicht der beste von allen.
    »Sehen Sie, Marc, Leute wie ich müssten in die Politik gehen, doch stattdessen opfern sie sich auf zum Wohle der Allgemeinheit. Denn wie sagte schon Bertold Brecht? Zuerst kommt das Fressen. Die schönen Worte kommen später.« Unwillkürlich runzelte ich die Stirn. »Was schauen Sie so erstaunt, Marc. Ist die Vorstellung so abwegig, ich könnte in die Politik gehen?«
    »Sie wären sicherlich ein hervorragender Politiker.« Das war nicht als Kompliment gemeint.
    »Ja, das wäre ich zweifellos. Und wer weiß...« Er lächelte. »Es ist nie zu spät, nicht wahr?«
    Sollte Kowalski tatsächlich eine politische Karriere planen? In der GSD war er bereits seit Jahrzehnten Mitglied, und viele politische Freunde hatte er auch.
    »Würden Sie mir einen Gefallen tun, mein lieber Marc? Würden Sie mir den Spaß gönnen, eine Kreatur «, er sprach das Wort auf merkwürdige Art und Weise aus, »nach meinem Ebenbild zu schaffen?«
    »Ich soll Sie im Simulator programmieren?« Ich war ehrlich erstaunt.
    »Ja, warum denn nicht? Ich würde gerne ein paar Worte mit mir selbst wechseln.« Er lachte. »Das muss doch ein atemberaubendes Erlebnis sein. Und bei dieser Gelegenheit könnten wir gleich ein paar Imagewerte erheben. Man weiß ja nie, wozu man die braucht.«
    »Ich verstehe.«
    »Nun schauen Sie nicht so, Lapierre. Das wird nur ein Spaß, mehr nicht.«
    Kowalski war plötzlich ernst geworden. »Aber deswegen habe ich Sie nicht zu mir gebeten, Marc.« Er zeigte auf den Vorplatz hinunter, auf dem die Interviewer auch heute mit ihren Plakaten und Transparenten demonstrierten. »Die Schnüffler haben sich organisiert. Am Anfang waren es nur ein paar Versprengte, ein paar Krakeeler, die die Klappe zu weit aufgerissen haben. Doch jetzt hat ihr Berufsverband die Sache in die Hand genommen, der große BVI.«
    Tatsächlich schienen die Proteste immer weitere Kreise zu ziehen. Die täglichen TriVid-Sendungen waren voll davon.
    »Wissen Sie, wie viele Interviewer Sinex beschäftigt?« Ich hatte keine Ahnung. »Es sind fast fünftausend! Natürlich ist von denen keiner fest angestellt, alles Freie, die auf Erfolgsbasis arbeiten.« Er hatte sich wieder zu mir nach vorne gebeugt. » Aber wir brauchen sie. Noch.«
    Wenn die Interviewer massenhaft in den Ausstand gingen, dann war nicht nur Sinex betroffen, schließlich hingen mehr als zehn Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung direkt oder indirekt an der Marktforschung.
    »Wissen Sie, wie hoch der Anteil des Simulators an unserem Umsatz ist? Unter einem Prozent. Vom Gewinn will ich hier gar nicht reden. Das ist nichts, Marc, das ist gar nichts.« Kowalski seufzte. »Wir sitzen in der Zwickmühle: Solange der Simulator nicht

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