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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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Löwitsch vor mir hatte.
    Noch immer zappelte Löwitsch in meinem Griff. Ich drückte ihn gegen die Wand. Auf keinen Fall durfte er mir entkommen. Zum Glück war Stefan Kurz’ Körper nicht sonderlich athletisch. Doch die Verzweiflung schien ihm ungeahnte Kräfte zu verleihen, und ich musste eine Weile regelrecht mit ihm kämpfen. Schließlich ließ sein Widerstand nach. Sein Körper erschlaffte.
    »Ja«, sagte er irgendwann schwer atmend. »Ich bin Peter Löwitsch. Beinahe hätte ich es geschafft. Beinahe hätte ich den ersten Schritt geschafft.«
    »Das ist nicht Ihre Welt. Sie haben kein Recht, hier zu sein. Sie haben kein Recht, Stefan Kurz’ Körper zu übernehmen.«
    »Meinen Sie wirklich, ich sei darauf aus, in Ihrer armseligen Welt zu leben? In Ihrer sogenannten Wirklichkeit?« Schweiß stand ihm auf der Stirn, doch er schien sich beruhigt zu haben. Vielleicht hatte er resigniert oder er wartete auf eine neue Chance.
    »Was wollen Sie dann hier, warum sind Sie ... hier eingedrungen?« ‚Ausgebrochen’ hatte ich zuerst sagen wollen, so als sei unser Simulator ein Gefängnis oder ein Zoo.
    Verächtlich sah er sich um. »Sie verstehen nicht. Sie wissen nicht. So gesehen, geht es mir tausend Mal besser als Ihnen.«
    Ich begann die Geduld zu verlieren. Langsam schob ich ihn Richtung Transferraum.
    »Warten Sie, warten Sie! Lassen Sie es uns doch gemeinsam versuchen! Kommen Sie doch einfach mit. Es ist Platz für uns beide. Ich helfe Ihnen, Sie helfen mir. Gemeinsam können wir es schaffen.«
    Er klang wie ein zum Tode Verurteilter, der sich die abenteuerlichsten Dinge ausdenkt, um seinem Schicksal zu entrinnen.
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, antwortete ich, während ich ihn weiter zurückdrängte. »Sie müssen zurück, das ist alles, was ich Ihnen sagen kann. Und nichts und niemand kann etwas daran ändern.«
    »Ich gehe nicht zurück!« heulte er auf.
    Seine Kräfte schienen sich zu vervielfachen. Eine Weile rangen wir schweigend. Schließlich gab er auf.
    »Sie glauben, Sie wären Gott, aber Sie sind genauso armselig wie ich.« Seine Stimme hatte jetzt einen höhnischen Ton angenommen. Spott troff daraus. »Der große Steuermann, der selbst nur eine Marionette ist. Zum Totlachen.« Er lachte tatsächlich kurz auf. »Ihr seht uns als Laborratten, mit denen ihr nach Herzenslust verfahren könnt. Es steht euch frei, uns zu verstümmeln oder auszulöschen, ganz wie es euch beliebt. Ihr herrscht über unser Leben und über unseren Tod. Aber wir sind nicht einmal Ratten, denn Ratten sind Lebewesen. Sie leben! Wir sind nur elektrische Entladungen ohne Herkunft und ohne Ziel. Und ihr fühlt euch uns so überlegen!« Er sah mir jetzt aus kurzem Abstand direkt in die Augen. »Die Wirklichkeit!« Er sprach das Wort gedehnt aus. Dann sah er den Gang hinauf und hinunter. »Das ist also die Wirklichkeit.« Wieder lachte er. »Sie armer Verrückter.«
    »Kommen Sie, Löwitsch, machen Sie keine Schwierigkeiten, sonst muss ich den Sicherheitsdienst rufen.« Wenn ich den Sicherheitsdienst hätte rufen können, hätte ich es längst getan. Aber vielleicht brachte ihn meine leere Drohung zur Vernunft.
    Doch Löwitsch philosophierte weiter. Was er sagte, klang immer wirrer. »Ich weiß wenigstens, dass ich ein Nichts bin. Das ist mein Vorteil, das macht meine Größe aus. Sie halten sich für wirklich, Sie halten sich für den großen Steuermann, doch Sie sind genauso ein Nichts wie ich. Das ist der Unterschied zwischen uns, Lapierre: Ich weiß .«
    Ich schob ihn durch die halboffene Tür des Transferraumes. »Es ist gut, Löwitsch, vor dem Herrn sind wir beide nichts. In diesem Punkt stimmen wir voll und ganz überein.«
    »Ich weiß alles, Lapierre, ich weiß so viel wie unsere sehr verehrte Frau Hauser, nur dass sie tot – gelöscht – ist. Ich dagegen bin hier, einen Schritt vor dem Ziel.«
    Ich horchte auf. »Was wusste Frau Hauser?«
    »Sie wusste vom Simulator, sie wusste, dass sie nicht real war.«
    »Woher wusste sie es?«
    »Sie hat das Buch gefunden.«
    »Welches Buch?«
    »Das Buch, das der große Steuermann«, er kicherte in sich hinein, »das Blinzle für Sie in der Bibliothek hinterlassen hat.«
    Jetzt begann die Sache mehr Sinn zu ergeben.
    »Wo ist das Buch jetzt?«
    »Gelöscht.«
    »Von wem?«
    Löwitsch sah nach oben und lächelte.
    »Und Sie haben das Buch ebenfalls gelesen?«
    »Ja, auch ich habe das Buch gelesen. Seitdem weiß ich alles.«
    »Aber Sie wussten doch schon seit jeher, dass Sie in

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