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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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seine Arbeit wurde vernichtet, das Standardwerk, an dem er schrieb. Vielleicht wollte man unsere ganze junge Wissenschaft, die Simulatorik, dauerhaft schwächen.
    Die Zeichnung von Achilles und der Schildkröte wurde ebenfalls gelöscht. Diese hatte man offenbar übersehen. Erst dadurch, dass ich sie in die Hand nahm, wurde man ihrer gewahr.
    Draganski hatte mich zu warnen versucht. Auch er wusste zu viel. Sein geheimnisvolles Verschwinden, seine Auslöschung, war die notwendige Folge. Mit ihm war alles verschwunden, was an ihn erinnerte.
    Und schließlich Samantha. Sie musste durch die Aufzeichnungen ihres Vaters auf die richtige Spur gekommen sein. Deshalb ihr seltsames Verhalten, ihre Einsilbigkeit, ihre Niedergeschlagenheit. Um mich nicht ebenfalls in Gefahr zu bringen, hatte sie mich nicht eingeweiht, war mir ausgewichen, hatte mich mit Ausflüchten abgespeist.
    Deshalb war sie heute Nacht aus dem System genommen und neu programmiert worden. Nur so waren ihr Verschwinden und ihre wundersame Verwandlung zu erklären.
    Eines fügte sich zum anderen, zusammen ergab sich ein logisches Bild. Meine Schlussfolgerungen wiesen nur einen kleinen Schönheitsfehler auf. Ein unbedeutendes Detail entzog sich dieser so einleuchtenden Erklärung. Warum konnte ich mich als einziger an Bogdan Draganski erinnern, als einziger an die Zeichnung? Warum war nicht auch ich gelöscht worden? Warum lebte ich noch? Warum hatte man mich nicht wenigstens umprogrammiert?
    Den Kopf in den Händen, hatte ich gar nicht bemerkt, dass jemand mein Büro betreten hatte. Erst auf ein Räuspern hin sah ich auf. Mein alter Lehrer kam mich besuchen.
    »Ach, du bist es, Doc«, ich stand auf, um ihm die Hand zu schütteln. Trotz der vertrauten Anrede hielten wir es noch immer recht förmlich. »Was verschafft mir die Ehre eines Besuches?«
    »Tu doch nicht so erstaunt! Ich komme doch immer vorbei, wenn ich im Haus bin. Aber das ist ja leider nicht mehr so oft der Fall. Leider oder glücklicherweise.« Er lachte glucksend.
    Er hatte recht, und doch war er schon lange nicht mehr hier gewesen.
    »Willst du nicht langsam Feierabend machen?«
    »Feierabend?« Ich sah zum Fenster, zur dunklen Scheibe, in der sich das Licht meiner Schreibtischlampe spiegelte. Es war spät geworden, viel später als gedacht.
    »Ja, falls dich der Sklaventreiber gehen lässt.« Lachend sah er sich um und vergewisserte sich, dass Kowalski nicht hinter ihm stand.
    »Nein, Doc, kein Alkohol und keine Zigarette.« Mir ging es heute auch ohne Drogen schlecht. Einen Whisky und ich wäre im Stehen eingeschlafen.
    »Wo denkst du hin! Ich hatte nicht vor, dich zu irgendwelchen Exzessen zu überreden. Obwohl du, wie es aussieht, ein Gläschen vertragen könntest.«
    »Was willst du dann?«
    »Ich komme vorbei, um nach dir zu sehen. Nach unserem letzten Treffen...«
    »Mir geht es gut«, unterbrach ich ihn.
    »Du siehst aber nicht so aus.«
    »Ich habe heute Nacht schlecht geschlafen.«
    »Verstehe.« Doc Schmitt zog einen Stuhl heran. »Darf ich mich setzen?«
    »Fühl dich ganz wie zu Hause.« Ich ging um den Schreibtisch herum und ließ mich schwer in meinen eigenen Sessel fallen.
    »Weißt du... Was soll ich sagen...« Der Doc wirkte verlegen. Offenbar lag ihm etwas auf dem Herzen. Er wusste aber nicht, wie er anfangen sollte.
    »Schieß los, Doc, ich bin hart im Nehmen.«
    »Gut, Marc, ich wollte mit dir reden. Weißt du, ich habe nachgedacht.« Er steckte eine Hand in die Jackentasche, suchte eine Weile darin herum, um sie dann wieder leer zum Vorschein zu bringen. So unwahrscheinlich es war, er wirkte nervös. »Zunächst einmal, wie geht es dir wirklich? Was machen deine Anfälle? Was macht deine ... Depression?«
    »Mal besser, mal schlechter. Im Grunde ist alles beim Alten.«
    »Wann hattest du den letzten Anfall?«
    »Gestern Abend.« War es wirklich erst einen Tag her? Mir schienen seitdem Wochen vergangen zu sein.
    »Hm, gestern Abend also.« Er kratzte sich eine Weile an der Nase. »Gut. Oder, besser gesagt, schlecht. Eigentlich war ich zuversichtlich, dass du die Krise überwunden hast.«
    »Ja, zuversichtlich war ich auch. Und gestern ging es mir blendend. Bis...«
    »Bis was?«
    »Naja, bis zu diesem Anfall eben.«
    »Wo ist das passiert?«
    »Im Rostigen Pflug , diesem Bio-Restaurant oben auf dem Berg. Ich wartete gerade auf Samantha...«
    »Samantha?«
    »Ja, Blinzles Tochter.«
    »Ich weiß, wer Samantha ist. Triffst du dich mit ihr? « Bevor ich antworten konnte, fügte

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