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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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in Ordnung. Das ist doch das, was zählt!« Da ich noch immer schwieg, fügte sie leise hinzu. »Sehen wir uns heute Abend? Ich habe Sehnsucht nach dir.«
    Mein Groll schmolz dahin. Vielleich tat ich ihr Unrecht. Vielleicht hatte sie wirklich auf dem Sofa im Wohnzimmer gelegen, mehr bewusstlos als schlafend, und ich hatte sie übersehen. Meinen Wahrnehmungen war nicht zu trauen. So wie ich Dinge sah, die nicht existierten, konnte ich vielleicht auch Dinge übersehen, die sich genau vor meiner Nase befanden, groß und für jeden ersichtlich. Eine Art umgekehrte Halluzination, falls es das gab.
    »Sehen wir uns heute Abend?« fragte sie noch einmal fast flehend.
    »Ich weiß noch nicht, ich muss arbeiten.«
    »Marc, bitte, ich brauche dich!«
    »Ich melde mich später.«
    Ich unterbrach die Verbindung. Jetzt konnte ich noch nicht auf ihr Angebot eingehen, so sehr ich es mir auch wünschte. Zuerst musste ich mir darüber klarwerden, was vor sich ging, was ihre plötzliche Wandlung bedeutete.
    Noch bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte, meldete sich das Videofon erneut. Diesmal war es eine hausinterne Verbindung. Stefan Kurz war am Apparat.
    »Marc, so geht das nicht. Hier ist ein Mensch...«, er drehte den Kopf zur Seite, um irgendwas zu brüllen, was ich nicht verstand. Leiser fuhr er dann fort: »Schaffen Sie mir diesen Fassbender aus den Augen.«
    »Stefan, ich fürchte, wir müssen mit ihm leben, sowohl Sie als auch ich.«
    »Mit diesem Verrückten?«
    »Wieso, was macht er denn?«
    »Am liebsten würde er alle Knöpfe gleichzeitig drücken! Vor ein paar Minuten hätte nicht viel gefehlt, und die ganze Anlage wäre offline gewesen.«
    Ich rang mir ein Lächeln ab. »Stefan, ganz so schlimm wird es nicht gleich kommen.«
    »Marc, Sie kennen mich. Ich habe eine große Klappe. Aber diesmal ist es mir wirklich ernst. Das nimmt kein gutes Ende, glauben Sie mir. Entweder er reißt sich zusammen...«
    Ich verzichtete darauf, nach dem ,oder‘ zu fragen. Stattdessen sagte ich: »Ok, ich komme nachher runter und rede mit ihm. Aber viel kann auch ich nicht ausrichten.« Mit einem Finger zeigte ich nach oben. »Er hat mächtige Fürsprecher hier im Haus.«
    Stefan seufzte. Unruhig trommelte er mit den Fingern auf der Tischplatte herum. »Ich will mich bei Peter Löwitsch noch einmal aufschalten. Jetzt gleich. Wir müssen wissen, was in ihm vorgeht. Vielleicht müssen wir ihn löschen, vielleicht nicht. Aber wir brauchen Klarheit...« Er unterbrach sich. »Marc, kann ich Sie um etwas bitten?«
    »Nur zu!«
    »Könnten Sie hier die Stellung halten, solange ich unten bin? Ich möchte nicht, dass unser Freund in meiner Abwesenheit die ganze Anlage in die Luft jagt. Offen gestanden, er macht mir Angst.«
    »So schlimm?«
    »Sie wissen gar nicht, wie schlimm.«
    »Doch, Stefan, ich kenne Ralf Fassbender schon sehr lange.«
    Eine Weile starrte ich auf den erloschenen Bildschirm. Unsere Arbeit war mit dem heutigen Tage nicht leichter geworden. Aber auch Samantha ging mir durch den Kopf. Irgendetwas war in dieser Nacht vorgefallen. Offenbar hatte sich seit gestern einiges verändert.
    Nach ein paar Minuten gab ich mir endlich einen Ruck. Ich musste zum Simulator. Doch auch heute ging es erst ganz hinauf, bevor ich den gesicherten Aufzug zum Maschinenraum nehmen konnte. So verstrichen weitere Minuten.
    Ich hatte die untere Schleuse gerade passiert, als mir Stefan Kurz entgegenstürzte. Er rannte, floh geradezu vor etwas, warf angsterfüllte Blicke hinter sich, so dass er mich übersah und wir heftig zusammenprallten.
    Mit beiden Händen musste ich ihn festhalten, damit er nicht stürzte. Doch er wollte sich losreißen, mich abschütteln. Wie von Sinnen schrie er: »Lassen Sie mich los! Ich muss hier raus! Um Himmels Willen, lassen Sie mich gehen!«
    »Stefan!« brüllte ich. »Beruhigen Sie sich doch!«
    Erstaunt sah er mich an. Seine Augen zuckten hin und her. Er schien am ganzen Körper zu zittern.
    Und in diesem Augenblick verstand ich. Ich griff fester zu und sagte leise. »Sie sind nicht Stefan Kurz, Sie sind Peter Löwitsch.«
    Woran hatte ich ihn erkannt? An der Verblüffung in seinem Gesicht, als ich den falschen Namen benutzte, an der hohen kreischenden Stimme, die so gar nicht Stefans Naturell entsprach, an seiner Haltung, an den Art und Weise, wie er lief, wie er stand, wie er Arme und Hände hängen ließ. Ich hätte es nicht zu sagen gewusst, doch von einem Augenblick auf den anderen wusste ich, dass ich Peter

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