Der Sodom Kontrakt
verfolgte. Der verdammte Auftrag in Nigeria! Die Bilder von Rollins’ Tod würde er nie loswerden. Sie hatten ihm einen mit Benzin getränkten Autoreifen über den Kopf gestülpt und angezündet. Rollins’ Todesgeschrei war nicht das Schlimmste gewesen; das war das Gelächter seiner Mörder, Nigerias 419-Gang.
Gill, den gefesselt dasselbe Schicksal erwartete, hatte nichts tun können. Das plötzliche Auftauchen seiner Leute hatte ihn gerettet. Für Rollins kamen sie zu spät.
Steif erhob er sich und ging ins Bad. Er warf zwei Aspirin, die er auf der Fahrt nach Witten gekauft hatte, in ein Wasserglas. Während sich die Brausetabletten auflösten, ließ er die Badewanne mit heißem Wasser vollaufen. Aus seinem Zimmer holte er mehrere Päckchen mit Speisesalz, die er ebenfalls gekauft hatte. Er schüttete das Salz in die Badewanne und ließ sich vorsichtig in die Wanne gleiten. Während er sich entspannte, schloss er die Augen und trank die Aspirin in einem Schluck. Nach einigen Minuten begann sich sein durchtrainierter Körper wohler zu fühlen. Gill ließ heißes Wasser nachlaufen. Er dachte über die Situation nach: Harry Brenner hatte für jemanden eine Bedrohung dargestellt, eine existenzielle Bedrohung. Aller Wahrscheinlichkeit nach war es um Erpressung gegangen. Und Harry hatte sich mit dem Falschen angelegt. Die Art, wie man Gill ausgeschaltet und gleichzeitig zum Sündenbock gemacht hatte, war keine Kurzschlussreaktion, sondern sehr professionell gewesen. Einen Profi hätte Harry nicht erpresst, so dumm war er trotz allem nicht. Also musste es sich um jemanden handeln, der sich Profis leisten konnte und über dementsprechende Kontakte verfügte.
Die Polizei würde ihn nur zu gern als Sündenbock schlucken. Wer interessierte sich schon für das Ableben einer Null wie Harry Brenner? Er hätte keine Chance, polizeiliche Entlastungsrecherchen zu veranlassen. Eine dubiose Figur wie Gill eignete sich bestens für die Rolle des Mörders. Auf alle Fälle würde der Dienst sofort reagieren und ihn aus dem Verkehr ziehen, bevor es zu einer Gerichtsverhandlung kam. In der Untersuchungshaft unter der Dusche ausgerutscht und unglücklich - aber tödlich - gestürzt. Oder ein Selbstmord mit Abschiedsbrief. Oder ein missglückter tödlicher Fluchtversuch. Möglichkeiten gab es genug. Er steckte tief im Dreck. Bisher hatte man ihn am Leben gelassen, weil er nicht aufgefallen war. Das war die Bedingung gewesen, als man ihn rausgeworfen hatte, statt ihn zu liquidieren. Er konnte fliehen und irgendwo untertauchen, wo es ihnen egal war, ob er lebte oder nicht. Leider gab es nicht sehr viele Orte, die diese Bedingungen erfüllten. Afghanistan. Borneo vielleicht. Alaska. Südamerika oder irgendein beschissener afrikanischer Staat, den die Westmächte auf das Niveau der Steinzeit gewirtschaftet hatten. Keine Orte, an denen jemand den Rest seines Lebens verbringen wollte. Jetzt blieb ihm wohl nichts anderes übrig. Vorher war noch etwas zu erledigen: Er musste Harrys Mörder finden und rauskriegen, was hinter der Sache steckte. Sein Stolz als Profi war mehr als verletzt. Jemand hatte einen Klienten umgebracht, der sich auf ihn verlassen hatte. Gill, der Superprofi, war nicht in der Lage gewesen, einen Anvertrauten zu schützen. Wie ein Idiot war er ausgeschaltet worden. Das man ihn auch noch am Leben gelassen hatte, war eine zusätzliche Demütigung. Man nahm ihn nicht ernst genug, um ihn zu fürchten. Das machte ihn wütend. Außerdem hatte er Harry Brenner gemocht. Harry war zwar ein kleines Licht, aber er hatte diesen brutalen Tod nicht verdient. Nein, Harry war kein wirklich schlechter Kerl gewesen! Auch wenn er sich als Erpresser betätigt hatte. Politiker und Wirtschaftsbosse erpressten täglich Millionen und Milliarden. Überall wurde erpresst. Frauen erpressten ihre Männer. Kinder erpressten ihre Eltern. Arbeitgeber erpressten Arbeitnehmer. Kaum ein gesellschaftlicher Bereich, wo Erpressung nicht als legitimes Mittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen galt. Harry hatte nur etwas vom Kuchen abhaben wollen. Und das Geld aus dem Keller deutete darauf hin, dass er auch etwas bekommen hatte. Die Summe war zu groß, als dass es sich um ein armes Opfer gehandelt haben konnte. Ab einer gewissen Größenordnung gab es keine unschuldigen Opfer; ein Täter wurde durch einen anderen Täter erpresst. Also musste es sich auch um etwas Bedeutenderes handeln als um einen Ehebruch oder eine gefälschte Krankmeldung.
Gill würde
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