Der Sohn der Schatten
hast.«
»Und du würdest mit mir kommen, bis nach Britannien? Unter Fremden leben, entfernt von deiner Familie?«
»Ich wäre nicht weit weg von meiner Familie, Bran. Wo immer wir drei unterwegs sind, ist mein Zuhause. Außerdem vergisst du etwas. Ich bin selbst halb Britin. Simon von Harrowfield ist mein Onkel; es sind sowohl deine als auch meine Verwandten.«
Er nickte; dann packte er meine Hände fester. »Das kann ich alles kaum glauben«, sagte er. »Und dennoch tue ich es. Ich bin schon am Überlegen, was man tun könnte, und wie wir es erreichen werden. Ich habe Angst, dorthin zurückzukehren. Es ist ein Ort von Finsternis und Schrecken für mich. Und dennoch sehne ich mich auch danach, weil ich alles in Ordnung bringen will. Ich sehne mich danach, zu beweisen, was unmöglich schien: dass ich der Sohn meines Vaters sein kann.«
Ich hätte am liebsten geweint; ich war immer noch schrecklich müde von der Nacht zuvor und von den Veränderungen, die so rasch geschahen, dass ich kaum mit ihnen Schritt halten konnte.
»Die Männer«, sagte Bran plötzlich. »Was ist mit den Männern? Wo werden sie hingehen? Ich kann sie nicht allein lassen, ohne einen Platz und ein Ziel in der Welt.«
»Nun«, meinte ich, »es mag sein, dass diese Männer bessere Ideen haben, als du glaubst. Gehen wir zum Feuer hinauf. Kannst du stehen? Stütz dich auf mich. Gut so. Komm schon, stütz dich auf mich. Niemand erwartet, dass du göttergleiche Kraft an den Tag legst – niemand außer vielleicht dir selbst. Diese Kopfwunde allein hätte einen Mann töten können. Du hast tagelang gehungert und bist mit Prellungen bedeckt. Ich möchte sehen, wie du ein wenig Wasser trinkst und Haferbrei isst. Deine Männer haben einen Vorschlag zu machen. Einen, der dich interessieren und dir viele deiner Sorgen nehmen wird. Später werden wir ausführlicher mit ihnen über diese Dinge sprechen.«
»Ich …« Er stand schwankend auf, kreidebleich und wie ein Geist seiner selbst.
»Komm, mein Herz. Stütz dich auf mich, und dann gehen wir zusammen diesen Weg entlang.«
Sie kannten ihn gut. Und daher sprangen weder Möwe noch Schlange noch einer der anderen auf, um ihre Hilfe anzubieten, als wir langsam und vorsichtig auf das Feuer zukamen. Niemand machte eine Bemerkung. Aber es gab Platz, damit wir beide uns hinsetzen konnten, und wir bekamen Wasser und Bier und Haferbrei in Steingutschüsseln. Mein Vater war immer noch da, aber er war schon zum Aufbruch gerüstet.
»Ich höre, dass ihr mir etwas zu sagen habt«, erklärte Bran, nachdem er sich hingesetzt hatte, mit Furcht erregender Miene. Viele Männer waren um uns herum versammelt, alle, dachte ich, bis auf die wenigen, die am Rand des Lagers Wache hielten. Alle wirkten erwartungsvoll, aber das wurde bald unterbrochen, als Ratte mit meinem schreienden Sohn ankam.
»Du solltest lieber ohne mich weitermachen«, sagte ich, nahm das Kind und stand auf. »Das ist vermutlich ohnehin eine Männerangelegenheit.«
»Du gehörst hierher«, sagte Bran leise. »Wir warten, bis du fertig bist.« Er drehte sich um und sah Möwe und seine bandagierten Hände an, dann Schlange, der von mehr als einer schlaflosen Nacht bleich war, Otter und Spinne, die einen Auftrag ausgeführt hatten, den großen, grimmigen Wolf und den jungen Ratte, Hüter dessen, was für ihn am kostbarsten war. »Ich habe euch ein paar Dinge zu sagen«, begann er.
Während ich Johnny im Unterstand stillte, beobachtete ich diese Männer, und ich hoffte, dass sie nicht von Eamonn sprechen würden und davon, was er getan hatte. Mein Vater kannte offensichtlich die Wahrheit noch nicht, und er durfte sie auch nicht erfahren. Das Gleichgewicht zwischen den Partnern im Bündnis würde empfindlich genug sein, und ich musste Bran unbedingt mitteilen, welchen Handel ich mit seinem Feind abgeschlossen hatte, damit er freigelassen wurde.
Johnny war bald fertig und wand sich auf meinem Schoß, bereit für neue Abenteuer. Ich setzte ihn auf den Boden und sah, dass er andere Kleider trug als das saubere Hemd und die Hose, in denen er aus Sevenwaters gekommen war. Es schien so lange her, es war, als hätte sich die ganze Welt seit diesem Tag verändert. Jemand war fleißig mit der Nadel gewesen, und mein Sohn trug jetzt eine kleine Jacke aus Hirschleder und Stiefel aus dem gleichen weichen Leder, alles ordentlich genäht. Eine Art Hemd befand sich unter der Jacke und fiel bis auf die Stiefelränder. In das Tuch waren Streifen gewebt, blaue,
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