Der Sohn des Bannsängers
seinem Besucher. »Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, daß du mit harmonischen Kräften herumspielst, die du nur ungenügend begreifst und die du nicht zu beherrschen vermagst.«
Buncan ließ sich ins übermäßig weiche Polster zurücksinken.
»Wieso kommt mir das wie ein Klischee vor?«
»Klischees sind nichts anderes als bis zum Überdruß wiederholte Wahrheiten, mein Junge.«
»Warum unterrichten Sie mich dann nicht? Und helfen mir, es zu lernen?«
Clodsahamp seufzte. »Manche Dinge lassen sich nicht lehren. Ebensowenig kann ich deine Stimme mittels Magie verbessern. Am besten begleitest du deinen Vater auf der Duar. Seine Finger sind nicht mehr so flink wie früher.«
»Danke für Ihre Hilfe.« Seinen Sarkasmus nur unvollkommen verbergend, stand Buncan auf und ging zur Tür. Das war furchtbar unhöflich von ihm; er hätte warten sollen, bis er entlassen wurde. Clodsahamp hätte ihn mit wenigen Worten zurück halten können. Statt dessen blickte der Hexer dem Junge lediglich nach, spähte über seinen Schnabel durch die dicken Brillengläser.
»Du mußt deine eigenen Entscheidungen treffen, mein Junge. Du bist bald alt genug dazu.«
Buncan fuhr herum. »Was meinen Sie mit ›bald‹ ? Ich will Bannsänger werden und große Taten vollbringen. Ob es Ihnen nun paßt oder nicht, und egal, was mein Vater dazu sagt! Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden...« Er schob den plappernden, flatternden Eulerich beiseite.
»Laß ihn gehen, Mulwit«, meinte Clodsahamp erschöpft.
»Nach den ersten hundert Jahren wird er klüger sein. Falls er so lange am Leben bleibt.«
»Was sollte das alles, Meister?« Der Eulerich machte sich daran, das Teegeschirr abzuräumen. Clodsahamp hob die Hand.
»Laß das stehen. Dieser Frühjahrsputz erschöpft mich. Und das Ungestüm der Jugend desgleichen.«
»Der Mensch hat Sie belästigt, Meister?« Mulwit konnte seine Genugtuung nicht verbergen.
»Wir waren unterschiedlicher Meinung über den Weg, den er einschlagen will. Was auch für seine Eltern gilt. Das ist natürlich ganz normal. Aber im Falle dieses Jungen könnte es sich als wahrhaft gefährlich erweisen.«
»Ich bin niemals anderer Meinung als Sie, Meister.«
»Nein. Du bist so sklavisch unterwürfig, wie ein Diener nur sein kann.«
»Heißt das«, meinte Mulwit eifrig, »daß Sie mir den Luuuftzauber der vierten Stufe zeigen werden, der einen in die Lage versetzt, zuuu fliegen ohne zuuu atmen?«
»Noch nicht. Erst mußt du andere Aufgaben bewältigen. Wie zum Beispiel, die Spüle weißer als weiß zu schrubben.«
»Aber, Meister, Ihre Spüüüle ist doch gar nicht weiß.«
»Das ist ja das Magische daran. Und jetzt benimm dich, sonst verwandle ich dich in einen Kiwi. Was würdest du davon halten, den Rest deiner Lehrzeit als Laufvogel zu verbringen, mit einem langen Schnabel und haarigen Federn?«
»Nein, Meister! Ich wollte nicht respektlos sein. Ich eile schon, dem Wirbelwind beim Saubermachen zuuu helfen.« Er prallte ängstlich von der gegenüberliegenden Wand ab, wie ein Käfer, der durch ein geschlossenes Fenster nach draußen will.
»Tu das. Und komm ihm bei der Arbeit nicht in die Quere. Es liegen schon genug lose Federn im Haus herum.«
Der Eulerich verschwand. Clodsahamp trank seinen Tee aus, dann erhob er sich mit der Behäbigkeit des Alters und blickte aus dem Fenster zum fernen Wald hinüber. Vom jungen Meriweather war nichts zu sehen. Clodsahamp hoffte, er wäre auf dem Weg nach Hause, obwohl das eher unwahrscheinlich war.
Nun, das ging ihn nichts an. Er mußte sich um andere Dinge kümmern. Im Baum gab es Alkoven und Lagerräume, in denen seit hundert Jahren nicht mehr aufgeräumt worden war. Das hatte man davon, wenn man jahrzehntelang aufs Saubermachen verzichtete. Jon-Tom und Talea würden den Jungen selbst auf die richtige Bahn bringen müssen.
Er schaute in den in seinen Brustpanzer eingelassenen Schubladen nach, dann trollte er sich zu seiner Werkstatt. Der Tornado müßte inzwischen eigentlich fertig sein. Ich muß daran denken, ihn draußen auszuleeren, überlegte er.
Wie der Hexer vermutet hatte, ging Buncan nicht zur Schule oder nach Hause zurück. Statt dessen ertappte er sich dabei, wie er, ohne ein bestimmtes Ziel im Sinn zu haben, den Weg zum Kurzstumpf einschlug, einem Nebenfluß des Tailaroam. Er war wütend auf Clodsahamp, sowohl wegen dessen Zusammenfassung von Buncans Zukunftsaussichten als auch wegen seiner Aufrichtigkeit. So wie er auch auf seine Klassenkameraden
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