Der Sohn des Kreuzfahrers
empfand die kleinen, zerzausten, pferdeähnlichen Kreaturen als reichlich verrückt, wenn auch als amüsant.
Während der Platz sich zunehmend füllte, schlenderte Murdo zwischen den Ständen hindurch, um sich die Waren genauer anzusehen. Sofort wurde er von einer Horde dunkelhäutiger Kinder angefallen, die an seinen Kleidern zerrten und in einer fremden, zirpenden Sprache auf ihn einredeten. Einige streckten ihm nur flehend die Hände entgegen, doch andere rieben sich die Bäuche und deuteten unmißverständlich auf ihre leeren Münder.
Da Murdo nicht die Absicht hatte, irgend jemandem etwas zu geben, ärgerte ihn das laute Betteln der Kinder, dennoch versuchte er, sich seiner Peiniger auf möglichst sanfte Art zu entledigen - ohne Erfolg. Der kleine Mob folgte ihm, klammerte sich an ihn, zerrte an ihm. Als er spürte, wie eine kleine Hand unter sein Hemd glitt und nach Ragnas Messer griff, wurde er wütend.
»Hau ab!« brüllte er, packte die Hand des diebischen Kindes und drückte derart fest zu, daß der Kleine augenblicklich das Messer losließ. »Haut alle ab!« Zornig stampfte er auf, und tatsächlich liefen die Kinder davon, doch nur um ihm von nun an in einigen Schritt
Entfernung zu folgen. Zudem hatte sein Wutausbruch die Aufmerksamkeit einiger Kaufleute erregt, die offenbar glaubten, in ihm einen wohlhabenden Kunden gefunden zu haben. Einige verließen sogar ihre Stände, eilten herbei und redeten in ihrer seltsamen Sprache auf Murdo ein.
»Nein! Nein! Nein!« wiederholte er immer und immer wieder, ohne auch nur ein einziges Mal stehenzubleiben. Unglücklicherweise schienen die Kaufleute sich durch dieses Verhalten eher herausgefordert als abgeschreckt zu fühlen, denn sie riefen immer lauter und zerrten, schoben und zogen Murdo hierhin und dorthin.
Murdo konnte diesen Ansturm nicht länger ertragen. Verzweifelt bog er in die nächstgelegene Straße ein und rannte und rannte, um seinen Verfolgern zu entkommen. Als er schließlich sicher war, daß ihm niemand mehr folgte, blieb er stehen und schaute sich um -aber nur um festzustellen, daß er nicht nur sein Gefolge aus Bettlern und Kaufleuten verloren hatte, sondern auch seine Orientierung. Diese Umgebung war ihm vollkommen unbekannt. Er vermochte weder zu sagen, woher er gekommen war, noch wohin ihn welcher Weg führen würde.
Macht nichts, sagte er sich selbst, ich werde meine eigenen Spuren einfach bis zum Markt zurückverfolgen. Also drehte er sich um und machte sich auf den Rückweg, doch bald erreichte er eine Stelle, wo die schmale Straße sich teilte. Beide Wege hatten ihren Ursprung vor einem großen, ausgetrockneten Steinbrunnen, und beide Wege sahen für Murdo vollkommen gleich aus. Er hatte keine Ahnung, von wo er gekommen war. Willkürlich entschied er sich für den rechten Weg - sollte er nicht bald etwas finden, das ihm bekannt vorkam, konnte er schließlich immer noch umkehren und den anderen Weg versuchen. Doch die Straße wand sich hierhin und dorthin, und als er wieder umkehrte, mußte er feststellen, daß er sich abermals verlaufen hatte.
Dort, wo er einen Brunnen erwartet hatte, stand nun eine kleine, von einer Kuppel gekrönte Hütte, über deren Tür ein grobes Holzkreuz prangte. Murdo drehte sich um und blickte noch ein-mal den Weg hinunter. Alles wirkte so fremd. War er wirklich hier entlanggekommen? Plötzlich näherten sich ihm zwei Männer. Mur-do grüßte sie in seinem besten Latein und fragte nach dem Weg zur Zitadelle. Die beiden Männer runzelten die Stirn und eilten weiter.
Angewidert - sowohl von seiner eigenen Dummheit als auch von Antiochias wenig hilfsbereiter Bevölkerung - machte Murdo abermals kehrt und ging auf demselben Weg zurück, den er gekommen war. Wieder wand sich die Straße hierhin und dorthin, und nach einer Weile stand Murdo erneut vor der kleinen Kapelle.
Inzwischen war er derart wütend, daß er den entgegengesetzten Weg beinahe hinunterrannte. Einige Zeit später hörte er etwas von dem er glaubte, es handele sich um das typische Geräusch eines Marktplatzes: das laute Stimmengewirr feilschender Händler und Kunden. Diesem Geräusch folgend bog er um eine Ecke, um zwei Ecken, lief eine Straße entlang, die ihm vage vertraut vorkam, und ... wieder stand er vor der kleinen Kapelle.
Nur mit Mühe konnte Murdo die langsam in ihm aufkeimende Panik unterdrücken. Abermals drehte er sich in der Absicht um, die eigene Spur zurückzuverfolgen. Er hatte jedoch kaum fünf Schritte getan, als hinter ihm
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